Kollektivvertrag: Heißer Herbst

Karl Proyer, stv. Bundesgeschäftsführer GPA-djp und Chefverhandler beim Metall-KV
Karl Proyer, stv. Bundesgeschäftsführer GPA-djp und Chefverhandler beim Metall-KV

Kollektivverträge. Die Wirtschaftsdaten sind gut: Es gibt keinen Grund für Zurückhaltung bei den Lohn- und Gehaltsrunden.

Den Auftakt bei den Kollektivvertragsverhandlungen machte wie jedes Jahr die Metallindustrie. Für die 160.000 Beschäftigten der Branche Metall und Bergbau startete am 30. September mit der Forderungsübergabe die gewichtigste der herbstlichen KV-Runden. Ihr Abschluss hat traditionsgemäß Signalwirkung für die anderen Branchen. Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich wird heuer bei den Forderungen der Gewerkschaften GPA- djp und PRO-GE ganz oben stehen.
„Eine ordentliche Lohn- und Gehaltserhöhung ist mehr als gerechtfertigt“, betont der Chefverhandler der GPA-djp, Karl Proyer. Die Betriebsergebnisse der Unternehmen sind auch in der Krise überwiegend positiv, die Produktivität ist zuletzt stark angestiegen, die Auftragsbücher sind wieder gut gefüllt.

Krisenjahr 2009
Im Vorjahr hatten sich die Sozialpartner nach schwierigen Verhandlungen in der fünften Runde auf ein Plus bei den KV-Löhnen und Gehältern um 1,5 Prozent (Ist-Erhöhung 1,45 Prozent) geeinigt. Das war mitten in der Krise, die Inflation betrug 0,5 Prozent. Das Streitthema Arbeitszeit wurde aus den Verhandlungen ausgelagert.
Die Lohn- und Gehaltserhöhungen orientieren sich traditionell an zwei Werten: der Inflation, die heuer 1,8 Prozent beträgt, und dem Produktivitätszuwachs in der Industrie. Auf dieser Basis wird verhandelt. Den Produktivitätszuwachs versuchen die Arbeitgeber naturgemäß kleinzureden, und auch dieses Jahr will man sich wieder hinter der Krise verstecken. „In der Krise geht es nicht, da muss man sparen, nach der Krise geht es nicht, da muss man vorsichtig sein, und auch in der Hochkonjunktur geht es nicht, weil man für die nächste Krise vorsorgen muss. So gesehen ist für die Arbeitgeber jeder Zeitpunkt schlecht“, weiß Karl Proyer.

Verhandler Walter Hofstadler, Betriebsratsvorsitzender der voestalpine Stahl GmbH, stimmt zu: „Wir kennen die Bilanzen und die Auftragsbücher, die Auftragslage verbessert sich kontinuierlich. Und wir wissen auch, dass die ArbeitnehmerInnen im vorigen Jahr bereits einen großen Beitrag geleistet haben, besonders dort, wo wegen der Krise Kurzarbeit eingeführt wurde. Viele haben ihren Job verloren. Es gibt daher sicher keinen Grund für Zurückhaltung, weder bei der Metallrunde, noch in den anderen Branchen.“

Arbeitszeit und Überstunden
Die Diskussion wird sich dieses Jahr nicht nur um die Löhne und Gehälter drehen, sondern auch um die Arbeitszeit. Das Thema Arbeitszeitflexibilisierung stand bereits im Herbst 2009 auf der Agenda, wurde aber schließlich von den Lohn- und Gehaltsverhandlungen entkoppelt.

Bei neuerlichen Verhandlungen zur Arbeitszeit im Frühjahr dieses Jahres kam es wiederum zu keiner Einigung – die Gespräche scheiterten an der unnachgiebigen Haltung der Arbeitgeber. Diese verlangten längere Durchrechnungszeiträume für Überstundenleistungen, die Gewerkschaften wollen das nur bei einer gleichzeitigen Arbeitszeitverkürzung akzeptieren.
„Eine Flexibilisierung bringt Produktivitätszuwächse, und davon müssen auch die Beschäftigten profitieren“, stellt Walter Hofstadler klar. „Die Forderungen der Arbeitgeber nach einer Flexibilisierung sind in Wahrheit nichts anderes als eine Reduzierung der Überstundenzuschläge, verbunden mit einer Verlängerung der Arbeitszeit. Das kommt für uns natürlich überhaupt nicht in Frage, darüber verhandeln wir nicht.“

Arbeitszeit verkürzen
Die wöchentliche Arbeitszeit wurde zuletzt vor 40 Jahren (!) von 45 auf 40 Stunden gesenkt. Die kollektivvertragliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden ist seit 25 Jahren unverändert. „Es ist höchste Zeit, die Arbeitszeit zu reduzieren, um Arbeitsplätze in der Metallindustrie zu erhalten“, macht Chefverhandler Proyer klar.
Neben einer Arbeitszeitverkürzung will die Gewerkschaft auch erreichen, dass Überstunden und Zeitguthaben reduziert werden. Um Arbeitsplätze und Beschäftigung zu sichern, ist es wichtig, dass die tatsächliche Arbeitszeit an die kollektivvertraglich vereinbarte Arbeitszeit (38,5 Stunden) angeglichen wird.

Zu viele Überstunden
„Uns geht es in dieser Diskussion sicher nicht darum, Überstunden generell abzuschaffen oder zu verbieten“, so Proyer. „In Österreich werden die meisten Überstunden Europas geleistet. Aber wir müssen sie besser verteilen und vor allem auf ein Maß reduzieren, das die Arbeitsbelastung und die gesundheitlichen Konsequenzen berücksichtigt“, erklärt der stv. Bundesgeschäftsführer.

Dass eine vernünftigere Verteilung bzw. Reduzierung der Überstunden Beschäftigungsimpulse setzt, ist unbestritten. Die Diskussion um die Arbeitszeit muss dringend geführt werden: „Die österreichischen ArbeitnehmerInnen haben Zeitguthaben im Gegenwert von rund 1,5 Mrd. Euro angehäuft, über deren Verbrauch die Wirtschaft z. B. über längere Durchrechnungszeiträume ganz allein bestimmen will, obwohl dies gar nicht ihr Geld, sondern das Geld der ArbeitnehmerInnen ist“, kritisiert Proyer. „Es braucht daher eine längst fällige Diskussion über die Qualität der Arbeitszeit, um neue Lösungen für die Beschäftigten zu erreichen.“

[stextbox id=“custom“ caption=“Leiharbeit nimmt zu“]Die Metallindustrie hat in der Krise 10.000 bis 15.000 Arbeitsplätze abgebaut, trotz Anspringens der Konjunktur werden die Zusagen auf Wiedereinstellung nun nicht eingehalten. Stattdessen werden LeiharbeiterInnen eingestellt und mit weniger MitarbeiterInnen Überstunden gefahren.
„Die Verantwortung der Arbeitgeber gegenüber den noch immer Arbeitssuchenden mit sogenannten Wiedereinstellungszusagen wird völlig außer Acht gelassen“, ärgert sich Karl Proyer.

Zahlreiche Unternehmen haben während der Krise im vergangenen Jahr nicht auf Kurzarbeit gesetzt, sondern auf Kündigungen mit Wiedereinstellungszusagen, um Beschäftigung zu sichern. Nun dürften aber rund 7.500 bis 10.000 ArbeitnehmerInnen im Industriebereich auf ihren Wiedereinstellungszusagen sitzenbleiben, weil die Betriebe LeiharbeitnehmerInnen bevorzugen.

Eine Forderung der GPA-djp zielt daher auf eine vernünftige betriebliche Begrenzung der Beschäftigung von LeiharbeitnehmerInnen, um wieder sichere Arbeitsplätze schaffen zu können. In der Krise zeigten sich klar die Nachteile der Arbeitskräfteüberlassung: „Selbst langjährig beschäftigte LeiharbeitnehmerInnen wurden von einem auf den anderen Tag ohne soziale Absicherung vor die Tür gesetzt und wieder dem Arbeitsmarkt ‚durchgereicht’“, kritisiert Proyer. „Wenn das die soziale Verantwortung der Personaldienstleister ist, dann wird es zukünftig ohne Begrenzung der Beschäftigung von LeiharbeitnehmerInnen nicht mehr gehen.“

Ende September starteten die KV-Verhandlungen für die Branche Metall und Bergbau. Mehr zu dieser KV-Runde und zu den Standpunkten der GPA-djp in den laufenden Verhandlungen in unserem aktuellen Video auf www.gpa-djp.at
Handel
„Die eigentliche Gewinnerbranche in der Krise ist der Handel“, analysiert Franz Georg Brantner, Vorsitzender des Wirtschaftsbereichs Handel in der GPA-djp, die Ausgangslage. „Im Handel gab es keine Krise, der Konsum ist glücklicherweise nicht eingebrochen, es gab voriges Jahr gute Umsätze. Verglichen mit anderen Branchen sind die Gehälter im Handel ohnehin nicht sehr hoch, hier besteht Nachholbedarf.“
Selbst die Arbeitgeber wissen, dass der Handel mit seinen 450.000 Beschäftigten ein wichtiger Konjunkturmotor ist. Mit Sparpaketen, neuen Massensteuern und geringen Lohnerhöhungen riskiert man, den Konsum abzuwürgen. Und nicht zuletzt sind die Handelsangestellten selbst auch KonsumentInnen.

Neue Wege im Handel
Die GPA-djp will daher neue Wege in der Branche gehen: Parallel zu den KV-Verhandlungen findet eine groß angelegte österreichweite Befragung der Handelsangestellten statt. „Wir möchten eine spürbare Erhöhung des Mindestgehalts“, erklärt Wirtschaftsbereichssekretär Manfred Wolf. „Im Handel arbeiten überdurchschnittlich viele Frauen. Sie sind wegen ihrer besonderen Situation – Teilzeitbeschäftigung, Betreuungspflichten – benachteiligt. Die Durchschnittsgehälter sind insgesamt zu niedrig und entsprechen nicht den Erträgen der Branche“, stimmt Franz Georg Brantner zu.
„Viele Frauen können von ihrem Gehalt nicht leben, die Einkommen reichen nicht zur Existenzsicherung“, erklärt Wirtschaftsbereichssekretärin Anita Stavik die Probleme in der Branche. „Auch die Einstiegsgehälter sind oft so niedrig, dass junge Menschen damit nicht über die Runden kommen. Wie sollen sie da eine Familie gründen können?“, kritisiert Stavik.

Branche aufwerten
Den Handelsangestellten wurde in den vergangen Jahren auch immer mehr abverlangt, wie z. B. die erweiterten Öffnungszeiten. Das bedeutet für viele zusätzliche Überstunden oder – oft unbezahlte – Vor- und Nacharbeiten. „Wir wollen daher einfachere und übersichtlichere Zuschlagsregelungen in den Kollektivverträgen. Auch die Zeitaufzeichnungen ließen sich verbessern und transparenter gestalten“, formuliert Franz Georg Brantner die Ziele für die Branche.
Ein anderer Schwachpunkt im Handel sind die Defizite bei der Weiterbildung und den Karrieremöglichkeiten. Viel zu wenige Betriebe investieren in die Qualifikation ihrer MitarbeiterInnen. „Das muss sich endlich ändern“, fordert Brantner, „Personalentwicklung darf sich nicht nur auf Schlüsselfunktionen beschränken, sondern alle Handelsangestellten sollen Zugang zur Weiterbildung haben. Mehr als die Hälfte der Teilzeitbeschäftigten sind nicht qualifiziert! Auch hier sind Frauen wieder besonders benachteiligt.“

BAGS-KV
Und noch ein großer Kollektivvertrag startet im Herbst: Der BAGS-KV für die Beschäftigten im privaten Gesundheits- und Sozialbereich. Für diese Branche fordert die GPA-djp schon seit Jahren eine bessere finanzielle Ausstattung seitens der öffentlichen Hand: die „Sozialmilliarde“.

„Für den dringend notwendigen Ausbau des Angebots an Pflege und Betreuung wird kein Weg an ihr vorbeiführen. Die Austrocknung der sozialen Dienste muss endlich ein Ende haben“, betont GPA-djp-Vorsitzender Wolfgang Katzian. Die Branche umfasst alle privaten Betreuungsleistungen wie Kindergärten, Alten- und Pflegeheime, mobile Sozialdienste, Erwachsenensozialarbeit u. v. a. m.

Soziale Investition
Chefverhandler Klaus Zenz beschreibt die Situation mit klaren Worten. „Jeder in diesem Bereich investierte Euro fließt in vielfacher Weise durch qualitative Leistungen wieder in die Gesellschaft zurück. Dazu braucht es aber höhere Einkommen, planbare Arbeits- und Freizeiten und ausreichend Personal.“
Schon jetzt mache sich der Finanzierungsengpass durch gestiegenen Arbeitsdruck, chronische Unterbesetzung und eine nur mäßige Entlohnung bemerkbar. „Wenn bei der Pflege und Betreuung gespart wird, dann schadet das allen: den Pflege- und Betreuungsbedürftigen, ihren Familien und den Beschäftigten in der Branche – unsere gesamte Gesellschaft leidet darunter“, kritisiert Reinhard Bödenauer von der GPA-djp.
Die Verhandlungen werden schwierig werden, da den Arbeitgebern – wie z. B. der Volkshilfe oder dem Hilfswerk – das Geld der öffentlichen Hand fehlt. „Das vorige Jahr war geprägt von einem zähen Kampf um finanzielle Förderungen, es gab auch mehrere große Kundgebungen“, erinnert Wolfgang Katzian, „wir werden nicht locker lassen, diese Branche hat gesellschaftspolitisch Priorität!“

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