Ohne Therapie?

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Oberösterreich kürzt bei sozialen Einrichtungen

Gerda S., 45, litt an einer schizoaffektiven Psychose. Ihr Leben schwankte zwischen manischen Phasen und Depressionen. Mehrere Klinikaufenthalte folgten, Gerda S. wurde Frühpensionistin und suchte Hilfe beim Krisen- und Beratungszentrum Linz. Ihre Therapeutin begleitete sie durch Krisenzeiten, brachte Stabilität und half Gerda S., auf Signale ihrer Krankheit zu achten. So sehr, dass Gerda S. wieder arbeiten konnte. „Sie hat wieder einen Sinn im Leben gefunden, hat es wieder geschafft, ein selbstbestimmtes Leben zu führen“, erzählt Bettina Hofwartner, Betreuerin des  Krisen- und Beratungszentrums Linz. Für Gerda S. und ihre Familie bedeutet das einen enormen Gewinn an Lebensqualität in bloß drei Jahren. „Wenn wir eine Person betreuen, wirkt sich das ja auch auf die Familie aus. Oft bedeutet das eine Entlastung für fünf bis zehn Personen“, merkt Erwin Puttinger, Leiter des Krisen- und Beratungszentrums Linz an.

Massive Budgetkürzungen

Allein 2009 wurden in ganz Oberösterreich 16.000 KlientInnen von Beratungseinrichtungen betreut, plus Familie sind das 80.000 Menschen, die von der Betreuung profitieren. Doch mit dem 1.1.2011 wird das Budget um ein ganzes Drittel gekürzt. Mit diesen enormen Einschnitten müssen nun  psychosoziale Beratungsstellen, der Psychosoziale Notdienst, aber auch Betreuungseinrichtungen wie „Kunst und Kultur“ in Oberösterreich leben. 88 von 170 MitarbeiterInnen, die in diesem Bereich beschäftigt sind, sind beim Arbeitsmarktservice zur Kündigung angemeldet: Die meisten der betroffenen ArbeitnehmerInnen sind bei pro mente beschäftigt, dem Trägerverein, der die meisten Beratungsstellen betreibt. Aber auch andere Vereine wie  EXIT-sozial  und ARCUS Sozialnetzwerk im Oberen Mühlviertel sind betroffen.

„Am 29. Oktober wurden wir informiert, dass es ab 1. Jänner 33 Prozent weniger Budget gibt“, berichtet Zentralbetriebsrat Martin Herzberger von pro mente OÖ. Die Geschäftsführungen der betroffenen Vereine wehren sich mit einer Petition gegen die Einsparungen, die man auf der Internetseite von pro mente OÖ unterschreiben kann (siehe Kasten). Doch Landeshauptmann Josef Pühringer, der auch für das Gesundheits- und Finanzressort zuständig ist, verweigert das Gespräch. Herzberger will sich mit der Belegschaft gegen die Kürzungen wehren. Auf einer Betriebsversammlung wurden bereits gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen beschlossen.

Psychosozialer Notdienst

Denn von den Einsparungen sind auch Menschen betroffen, die dringende unbürokratische Hilfe benötigen. Etwa, wenn sie verzweifelt sind und den Psychosozialen Notdienst anrufen. „Wir sind rund um die Uhr für Menschen in akuten Krisensituationen erreichbar“, sagt Monika Czamler, Leiterin des Psychosozialen Notdienstes Oberösterreich. In einigen Bezirken sind sogar Hausbesuche möglich und gemeinsam mit dem Roten Kreuz werden Menschen nach traumatischen Erlebnissen betreut. Weil das Angebot so gut angenommen wird, dachte die Politik noch im Frühjahr daran, den Beratungsbereich zu erweitern. Stattdessen entschied das Land nun für Einsparungen. Die Aufgabe des Psychosozialen Notdienstes ist es, nicht nur vor Ort die Krise zu mindern, sondern auch weitere Schritte zu setzen, etwa die Vermittlung an Beratungseinrichtungen, die den Klienten langfristig betreuen können. Doch dies wird ab Jänner schwieriger werden, da beim Personal eingespart werden muss.

Kunst als Therapie

Ihre ärgsten persönlichen Krisen hat Brigitte S. inzwischen überwunden, seit Jahren besucht sie nun eine Einrichtung, die sie in ihrer Therapie begleitet: Das kuk Linz (Kunst und Kultur). Die ehemalige Zahnarzthelferin malt, singt und übt für Schauspielrollen in diesen Räumlichkeiten. „Ich habe ein Bild sogar nach Dänemark verkauft“, freut sie sich. In der Aufführung „Harold and Maude“, im vorigen November spielte sie sogar die Hauptrolle. „Endlich kann ich meine Gefühle ausdrücken“, sagt sie, die auch heute noch manchmal unter schweren Depressionen leidet. „Hier habe ich das erste Mal Selbstwert bekommen und andere Menschen haben mir gesagt, dass ich etwas sehr gut kann“, erzählt sie. Im kuk arbeiten Menschen mit besonderen psychosozialen Bedürfnissen gemeinsam mit  Künstlern an Bildern, Videos, Theaterstücken und Tanzaufführungen. Das kuk-Theater genießt einen guten Ruf. „Wir haben vor vier Jahren den Bühnenkunstpreis des Landes Oberösterreich bekommen“, berichtet der Leiter des kuk, Jürgen Heib. Durch Kunst soll eine  Brücke zur „normalen“ Gesellschaft gebaut werden. Das Sparpaket trifft hart, sieben Stellen müssen gestrichen werden. „Wir sind wütend, dass unsere jahrelange Arbeit missachtetet wird. Denn gerade in der Kunst lässt sich das Außerhalb-der-gängigen-Norm-sein oft in eine produktive Kraft umsetzen“, beschwert sich Jürgen Heib.

Die Einrichtungen von pro mente werden meist von Menschen genutzt, die verzweifelt sind. Sie können sich selbst keine Therapie finanzieren und besonders für Bewohner in ländlichen Regionen gibt es kaum andere Anlaufstellen bei psychischen Problemen. „Dieses Belastungspaket betrifft vor allem jene, die nichts haben und sich schwer wehren können“, zieht Betriebsrat Martin Herzberger verärgert Bilanz.

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