Frauen fordern gleiche Einkommen

Foto: Nurith Wagner-Strauss

Frauen verdienen ein sattes Drittel weniger als Männer, die Einkommensschere geht nicht zu. Wenn wir so weitermachen wie bisher, wird sich wenig bewegen. Was können wir tun?

Der Stand der Dinge im Frühsommer 2011: Frauen in der Privatwirtschaft verdienen nur zwei Drittel (66 Prozent) ihrer männlichen Kollegen. Anders gesagt: Männer im Angestelltenbereich erhalten bei gleichwertiger Arbeit durchschnittlich ein Drittel mehr Gehalt als Frauen.

Sie können sich das nicht vorstellen? Nehmen Sie ihren Gehaltszettel zur Hand und addieren Sie ein Drittel dazu. Jeden Monat ein Drittel mehr. Beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld auch. Jahr für Jahr. Nein, das sind keine „Sonderzahlungen“ – Männer kriegen das immer! Sie können auch nachrechnen, wie viel das in Summe während Ihrer gesamten Berufslaufbahn ausmacht: Frauen verdienen während vierzig Jahren Berufsleben bei Vollzeitbeschäftigung im Durchschnitt 462.000 Euro weniger als Männer. – Überlegen Sie jetzt, was Sie sich darum alles leisten könnten?

462.000 Euro

Schlecht steht es um die Einkommensgerechtigkeit 2011. „Unsere bisherigen Strategien haben nicht ausgereicht. Wenn wir wollen, dass sich endlich etwas ändert, müssen wir einen anderen Gang einlegen“, urteilt GPA-djp Frauensekretärin Barbara Marx.

Was sind die Gründe für dieses unglaublich hohe Lohn- und Gehaltsgefälle? Nüchtern analysiert lässt sich das Einkommensgefälle mit drei Ursachen erklären: Einstufung, Karenzzeiten und echte Diskriminierung.

Frauen werden immer noch beim Berufseinstieg und beim Beginn von Dienstverhältnissen schlechter eingestuft, Vordienstzeiten und Qualifikationen nicht gleichwertig angerechnet. Unter dem Motto „darf’ s ein bisschen billiger sein“ richten zu viele Unternehmen ihre Gehaltsangebote nach dem Geschlecht.

Das zweite große Handicap ergibt sich aus den Karenzzeiten und Kindererziehungszeiten. Diesen Unterbrechungen ihrer Berufslaufbahn verdanken Frauen ein weiteres Drittel ihrer Benachteiligung. Karenzzeiten werden nicht angerechnet, Frauen versäumen während ihrer Abwesenheit Vorrückungen, Biennalsprünge und innerbetriebliche Erhöhungen, und nach zwei Karenzzeiten summiert sich das zu einem saftigen Nachteil.

Die verbleibenden zehn Prozent Diskriminierung sind ökonomisch nicht erklärbar. Auch nicht mit der Teilzeitarbeit – alle hier angeführten Zahlen sind mit Vollzeitäquivalenten berechnet. Frauen verdienen allein deshalb weniger, weil sie sind, was sie sind: Das andere Geschlecht.

Geteilter Arbeitsmarkt

Der österreichische Arbeitsmarkt ist geteilt: Sowohl vertikal, wenn Frauen und Männer unterschiedliche Positionen in der betrieblichen Hierarchie zugewiesen bekommen und sich gerade mal beschämende 4,4 Prozent Frauen in den Vorständen der österreichischen Top-Unternehmen befinden. Aber auch horizontal, was sich in typischen Männer- und Frauenberufen und geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Wirtschaftszweigen niederschlägt.

Der Produktionsbereich ist nach wie vor männlich dominiert, der Dienstleistungssektor hingegen weiblich. Vor allem im Handel und im Gesundheits- und Sozialbereich arbeiten überwiegend Frauen.

Gesamtgesellschaftlich wird das weitgehend akzeptiert. „Eine der Wurzeln des Problems ist, dass Frauen in Österreich nach wie vor als Zuverdienerinnen gesehen werden, die von dem, was sie verdienen, ja eh nicht leben müssen“, sagt Marx.

In den Frauenbranchen hinken die Löhne und Gehälter gegenüber der Industrie deutlich nach. „Das hat zur Folge, dass diese Branchen – z.B. Pflegeberufe oder Kinderbetreuung – für Männer nach wie vor nicht attraktiv genug sind, was die Spirale noch weiter nach unten treibt. Und die öffentliche Hand trägt mit ihren Sparmassnahmen im Sozialbereich noch weiter dazu bei“, kritisiert Marx.

Doch am oberen Ende der Gehaltsgruppen sieht es nicht besser aus: „Falls Sie Akademikerin sind und gerade ihren ersten Job antreten: Verlangen Sie mehr Einstiegsgehalt, als Ihnen geboten wird – Ihre männlichen Kollegen kriegen nämlich gleich zu Anfang deutlich mehr“, rät Marx. Die Einkommensschere ist umso größer, je besser gebildet Frauen sind. Pflichtschulabsolventinnen sind vom Einkommensgefälle weniger stark betroffen als Absolventinnen berufsbildender höherer Schulen oder Akademikerinnen. Frauen haben zwar bei der Bildung aufgeholt und sogar überholt – sie werden aber vom Arbeitsmarkt offenbar als billige Arbeitskräfte gehandelt.

Was können wir tun?

„Wenn wir etwas bewegen wollen, dann können und müssen wir den Hebel von drei Seiten gleichzeitig ansetzen: beim Gesetz, beim Kollektivvertrag und über Maßnahmen im Betrieb“, sagt GPA-djp Wirtschaftsbereichssekretärin Eva Scherz. Sie verhandelt wichtige Kollektivverträge wie z.B. Elektro- und Elektronikindustrie, Gesundheits- und Sozialberufe (BAGS) und die Metallindustrie.

„Manche Arbeitgeber“, berichtet Scherz aus der Praxis, ‚vergessen’ ganz einfach auf bereits existierende Anrechnungsbestimmungen von Karenzzeiten. Wir müssen daher genau darauf achten, dass geltendes Recht auch tatsächlich umgesetzt wird.“

Scherz erarbeitet derzeit kollektivvertragliche Musterbeispiele mit richtigen Einstufungen am  Beginn von Dienstverhältnissen und auch solche für die Gehaltserhöhungen nach der Karenz. „Wir werden Musterberechnungen vorlegen, wie beispielsweise bei zwei Kindern die dazugehörigen Karenzzeiten angerechnet werden müssen“, kündigt Scherz an.

Die GPA-djp bereitet außerdem eine umfassende Informations- und Schulungskampagne vor. Eva Scherz: „Es wird keine Kollektivvertragsverhandlung und keine Betriebsvereinbarung mehr geben wo das Thema Einkommensgerechtigkeit nicht vorkommt. Wir richten unser Augenmerk besonders auf jene Branchen und Betriebe, die noch nicht genügend Frauen fördernde Maßnahmen vorweisen können.“

Auch Gehaltsverhandlungen können so gestaltet werden, dass die Erhöhungen in erster Linie Frauen zugute kommen. Dazu eignen sich vor allem Mindestbeträge, denn sie bringen den unteren Einkommensgruppen, wo die meisten Frauen zu finden sind, mehr als den oberen. „Es wären aber auch reine Frauenlohn- und Gehaltsrunden denkbar“, sagt Scherz.

In Frage gestellt werden muss auch das im arbeits- und sozialrecht verbreitete Senioritätsprinzip. Der Zuwachs an Erfahrung ist am Beginn der Karriere bzw. in den ersten Jahren bei einem neuen Arbeitgeber am stärksten. Und dieser Zuwachs sollte belohnt werden, nicht die Tatsache, dass man möglichst lange in der gleichen Firma bleibt. Scherz sieht hier Handlungsbedarf: „Größere Vorrückungen am Anfang und flachere Gehaltskurven würden Frauen zu Gute kommen und außerdem die Mobilität fördern“. Auch bei Provisionen und Prämien werden Männer indirekt bevorzugt: Wenn ein Unternehmen allen Beschäftigten ein Monatsgehalt an Prämie überweist, so bekommt ein Mann in einer gutbezahlten Führungsposition – in absoluten Zahlen – natürlich deutlich mehr als z.B. seine Assistentin.

„Darüber hinaus werden wir nicht umhin können, Zahlen und Fakten aus gewissen Branchen und die Verhandlungsstrategien mancher Arbeitgeber zu veröffentlichen. Hier kann dann auch die Gleichbehandlungsanwaltschaft aktiv werden“, kündigt Scherz an. Wenn einzelne Branchen und Unternehmen oder Betriebe in den Ruf geraten, besonders diskriminierend zu zahlen, so sind Frauen dann immerhin gewarnt. Das könnte auch die Berufswahl von Jugendlichen beeinflussen.

Gesetz

GPA-djp Frauensekretärin Barbara Marx sieht das neue Einkommenstransparenzgesetz als einen sehr wichtigen ersten Schritt. Die Einkommensberichte und Gehaltsangaben bei den Jobausschreibungen stärken die Verantwortung der Arbeitgeber für gerechte Entlohnung. Konsequenzen oder gar Strafen gibt es derzeit allerdings noch nicht „Der logische nächste Schritt wäre eine gesetzliche Verpflichtung zum Abbau der bestehenden Gehaltsunterschiede“, fordert Marx.

Auf Grund des neuen Gesetzes müssen sich die Unternehmen nun mit der Frage befassen, ob sie Frauen und Männer in den verschiedenen Einstufungskategorien gleich bezahlen. Damit liegt dann auch den Betriebsräten eine systematische Aufbereitung der Einkommensstruktur im Betrieb vor. Für Frauen wird es einfacher, die Nachweise zu erbringen, dass sie weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. Auch die neue Verpflichtung, dass Unternehmen bei Jobausschreibungen die kollektivvertragliche Entlohnung und Überzahlungen angeben müssen, erschwert es Unternehmen, bei der Einstellung Frauen zu benachteiligen.

Gleiche Einkommen für Frauen und Männer – nur Utopie? „Keineswegs“, entgegnet Marx. „Wir müssen nur die Ergebnisse im öffentlichen Dienst ansehen: Dort ist die Schere nahezu geschlossen, vertragsbedienstete Frauen verdienen 92 Prozent eines Männergehalts und Beamtinnen 98 Prozent. Warum sollten wir das nicht auch in der Privatwirtschaft erreichen können?“

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