Wie viel die Karenz kostet

Wie viel die Karenz kostet (c) Claudia Winglhofer
Wie viel die Karenz kostet (c) Claudia Winglhofer

Frauen verlieren durch Karenzzeiten deutlich an Einkommen. Die Verluste sind meist nicht mehr aufzuholen. Die GPA-djp will das jetzt ändern und hat bei den KV-Verhandlungen bereits Erfolge erzielt.

In diesem Herbst hat die GPA-djp die ersten großen Erfolge errungen: In der Branche Metall und Bergbau wurden bisher einer Frau höchstens zehn Monate Karenzzeit angerechnet, egal wie lange sie tatsächlich karenziert war und egal ob sie für ein, zwei oder noch mehr Kinder daheim blieb. Bei der diesjährigen KV-Verhandlung gelang es, dies zu ändern: Seit 1. November werden für jedes Kind 16 Monate Karenzzeit auf Vorrückungen angerechnet. Dazu kommen noch die gesetzlich vorgesehenen 4 Monate Mutterschutz. Das bedeutet, Frauen können eineinhalb Jahre bei ihrem Kind zu Hause bleiben, ohne danach schlechter zu verdienen als KollegInnen, die nicht in Babypause waren. Und das in einer Branche, deren Kollektivvertrag nach wie vor als Messlatte für die Verhandlungen in anderen Branchen gilt.

Für andere Ansprüche – immer noch in der Industrie – wurden schon früher Verbesserungen durchgesetzt: Für Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Kündigungsfristen, Jubiläumsgeld und Abfertigung werden unabhängig von der Kinderzahl insgesamt 22 Monate angerechnet.

„Dass wir gerade in diesem richtungweisenden Kollektivvertrag eine so große Fortschritte erkämpfen konnten, hat allen gezeigt, was möglich ist und macht unseren VerhandlerInnen Mut – wir sind fest entschlossen, das jetzt auch in allen anderen Branchen durchzuziehen“, verspricht Karl Proyer, stv. Geschäftsführer der GPA-djp und in vielen KV-Verhandlungsrunden persönlich oder beratend mit dabei.

Erfolg im Handel

Der zweite große Coup gelang beim Handel, der großen Frauenbranche: 520.000 Angestellte und Lehrlinge – darunter bis zu 70 Prozent Frauen – können zufrieden sein, denn ab 1. Jänner zählen 10 Monate Karenzzeit für die Dienstzeit, auch bei Arbeitgeberwechsel, und sowohl bei der Elternkarenz, als auch bei der Bildungs- und Hospizkarenz. Bisher wurde gar nichts angerechnet. „Von null auf zehn Monate, da haben wir wirklich einen Riesensprung nach vorn gemacht“, freuen sich Franz Georg Brantner und Manfred Wolf vom Verhandlungsteam.

Die GPA-djp hat sich eine verbesserte Anrechnung der Karenzzeiten für alle Branchen vorgenommen. Vorsitzender Wolfgang Katzian sieht nach dem Erfolg beim Handel den Durchbruch: „Wir haben in dieser zahlenmäßig großen Angestelltengruppe mit hohem Frauenanteil eine wichtige Zielsetzung in der Kollektivvertragspolitik dieses Herbstes umgesetzt. Karenzanrechnung und der erfreulich hohe Gehaltsabschluss ergeben zusammen für viele Angestellte mehr als 4 Prozent. Konkret heißt das je nach Gehaltsgruppe zwischen 250 und 500 Euro brutto pro Jahr mehr am Gehaltskonto nach der Karenz.“

Damit nicht genug, gibt es auch noch in mehreren anderen Kollektivverträgen Erfolge zu verbuchen: Die Branche Stein und Keramik – ab sofort werden 16 Monate angerechnet -, die Beschäftigten in der alternativen Telekombranche  – von 0 auf 12 Monate – und der KV-Abschluss für Handwerk und Gewerbe (10 Monate insgesamt, vorher null), der eine zahlenmäßig sehr große Gruppe von rund 130.000 Beschäftigen, darunter die Beschäfitgten in Call-Centern, umfasst. Und auch in der IT-Branche werden ab 2012 für das erste Kind zehn Monate Karenzurlaub angerechnet.

Einkommensschere schließen

„Wir haben drei Hebel, bei denen wir ansetzen können, wenn wir die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen endlich zukriegen wollen“, sagt KV-Expertin Eva Scherz, die in der GPA-djp mehrere Kollektivverträge mitverhandelt. „Beim Gesetz, im Kollektivvertrag und durch Maßnahmen im Betrieb. Bei den Kollektivverträgen sind wir diesen Herbst in die Offensive gegangen.“

Frauen verdienen im Angestelltenbereich nur rund 66 Prozent des jeweiligen Männereinkommens. Rund ein Drittel dieser Einkommensschere verdanken die Frauen der Babypause. Bisher sah es so aus: Je nach Branche wurden höchstens 10 Monate der ersten Karenz im Dienstverhältnis für die Bemessung der Kündigungsfrist, die Dauer der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (Unglücksfall) und das Urlaubsausmaß angerechnet. Ansonsten bleiben die Karenzzeiten für Rechtsansprüche, die sich nach der Dauer der Dienstzeit richten, außer Betracht. Kollektivverträge bzw. Betriebsvereinbarungen sahen in manchen Fällen günstigere Regelungen vor, aber insgesamt war hier einer der Gründe zu suchen, warum Frauen so eklatant schlechter als Männer verdienen.

Männer gehen immer noch deutlich seltener in Karenz (6 Prozent) und vor allem auch kürzer. Männer sind daher von dem Problem zahlenmäßig nur am Rande betroffen, auch die Hospizkarenz nehmen überwiegend Frauen. Nur bei der Bildungskarenz trifft es Männer ebenso. Jedoch sind Bildungs- und Hospizkarenz zwar im Steigen begriffen, bleiben aber zahlenmäßig immer noch deutlich hinter der Elternkarenz zurück: Nur rund 8 Prozent aller Karenzen sind keine Elternkarenz.

Ist-Gehälter und Überzahlungen

Zum Problem der versäumten Vorrückungen kommen die so genannten Ist-Erhöhungen (siehe Kasten Rechenbeispiel). Viele Beschäftigte erhalten ein höheres Gehalt als im Kollektivvertrag als Mindestbezahlung vorgeschrieben ist. Ist das vereinbarte Gehalt höher, so wird diese vereinbarte Bezahlung als „Ist-Gehalt“ bezeichnet. Die Differenz zwischen dem vereinbarten Gehalt und der im Kollektivvertrag vorgeschriebenen Mindestbezahlung wird als „Überzahlung“ bezeichnet. Durch die längere Abwesenheit während der Karenz(en) versäumen viele Frauen Ist-Erhöhungen obwohl ihnen diese eigentlich zustünden. „In Summe ergibt das je nach Branche und Einstufung eine Stange Geld. Diese Gehaltsbremse muss weg“, fordert Eva Scherz.

Gesetzgebung

Auch bei der Gesetzgebung will die GPA-djp Verbesserungen erreichen: „Unsere Forderung ist klar und einfach“, erklärt die Leiterin der Bundesfrauenabteilung, Barbara Marx. „Alle Karenzzeiten sollen laut Gesetz für die Ansprüche, die sich nach der Dauer der Dienstzeit richten, angerechnet werden.“ Anders gesagt: Es soll keinen Unterschied mehr geben zwischen Frauen, die in Karenz waren und allen anderen Frauen und Männern. „Gespräche mit Ministerin Heinisch-Hosek und Minister Hundstorfer sind bereits im Laufen“, verrät Marx.

BAGS und Frühjahrsrunde

Der nächste von den ganz großen Kollektivverträgen war bei Redaktionsschluss noch in der Verhandlungsphase: Der Kollektivvertrag für die Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialbereich, kurz „BAGS“, kannte bislang auch keine Anrechnung von Karenzzeiten auf Vorrückungen. Auch hier wieder eine Branche, in der viele Frauen beschäftigt sind und wo die Gehälter noch dazu unter dem branchenübergreifenden Durchschnittseinkommen liegen. „Hier haben wir großen Aufholbedarf“, betont Eva Scherz, die selbst mit am Verhandlungstisch sitzt. Der Gesundheits- und Sozialbereich ist nach wie vor finanziell viel zu knapp ausgestattet. Dieses von der Politik verursachte Defizit geht mehr und mehr zu Lasten der Beschäftigten. „Trotzdem fordern wir die volle Anrechnung der Karenzen auf Vorrückungen. Es kann nicht sein, dass die finanziellen Probleme die Frauen doppelt treffen“, erklärt Scherz.

Und im neuen Jahr wird es beim Finance-Kollektivvertrag (Banken und Sparkassen) und in der Frühjahrsrunde der KV-Verhandlungen weitergehen: „Die GPA-djp wird jeden Kollektivvertrag auf Einkommensgerechtigkeit und Gleichstellung unter die Lupe nehmen und entsprechende Maßnahmen ergreifen“, verspricht Vorsitzender Katzian. „Es ist dies ein gemeinsames Anliegen unserer Gewerkschaft, wir arbeiten daran in allen Kollektivverträgen!“

KOMMENTAR: Barbara Marx, Leiterin der Bundesfrauenabteilung

„Wir haben nachgerechnet, welche großen Summen Frauen bisher in jenen Branchen, wo es gar keine Anrechnung der Karenzzeiten gab, verloren haben. Bei zwei Kindern z.B. kommen da monatliche Gehaltsunterschiede von mehreren hundert Euro zustande. Meist holen die Betroffenen diese Gehaltseinbussen nie wieder auf.

Nehmen wir ein Rechenbeispiel aus dem Handel, wo sehr viele Frauen beschäftigt sind: Wie viel hat eine Frau in Beschäftigungsgruppe drei – das entspricht einer typischen Tätigkeit als Kassierin –im Verlauf von zwanzig Berufsjahren durch insgesamt drei Jahre Karenz bisher verloren? Angenommen es gibt eine durchschnittliche jährliche Erhöhung von 2,5 Prozent und 15 Prozent Überzahlung. Dann verliert diese Kassierin in diesen zwanzig Jahren über 30.000 Euro an Einkommen gegenüber jenen Kollegen und Kolleginnen, die keine Karenz beansprucht haben!

Das ist enorm viel und nicht zu rechtfertigen. Wir haben nun in diesem Herbst einen ersten großen Meilenstein errungen und die Anrechnung der ersten Karenz erreicht. Nicht nur im Handel, auch in etlichen anderen Kollektivverträgen. In den nächsten KV-Runden wird es weitergehen, Schritt für Schritt, bis wir unser Ziel erreicht haben: Die Anrechnung aller Karenzzeiten für alle Ansprüche, die sich nach der Dauer der Dienstzeit richten. Das wird die Einkommensschere dann auch um ein deutliches Stück schließen.“

Was tun nach der Karenz?

KV-Verhandlerin und Expertin Eva Scherz empfiehlt: Rechnen Sie nach!

  • Wie viel haben Sie vor der Karenz verdient?
  • Wurde Ihre Mutterschutzzeit angerechnet?
  • War eine Vorrückung fällig?
  • Wie hoch war die Gehaltserhöhung im letzten Jahr?
  • Gibt es eine Überzahlung und wenn ja, wie hoch war die Ist-Erhöhung?

Info und Beratung

Den aktuellen Stand aller Kollektivverträge und was die GPA-djp für Sie erreicht hat finden Sie auf www.gpa-djp.at

Ihr Betriebsrat und die GPA-djp beraten Sie gerne! Vereinbaren Sie einen Beratungstermin unter 05 0301 – 301 oder in Ihrer Regionalgeschäftsstelle oder per Mail  service@gpa-djp.at

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