Kindergärten: Achtung, Einsturzgefahr!

Was Österreichs Kinder brauchen, sind KindergartenpädagogInnen, die zeitgemäß arbeiten können. Doch die Arbeitsbedingungen sind unzumutbar.

KindergärtnerInnen vermitteln Elementarbildung. Sie leisten harte Arbeit und erhalten wenig Lohn. In ganz Österreich arbeiten rund 50.000 Beschäftigte in Kindergärten und Kindertagesheimstätten, sie betreuen 320.000 Kinder. 98 Prozent dieser Beschäftigten sind Frauen. „Wir wollen gut arbeiten und jedes Kind bestmöglich fördern, doch man sieht die Grenzen, weil das Umfeld nicht passt“, erklärt Regina Huprich das Dilemma. Die Betriebsratsvorsitzende der St. Nikolaus-Kindertagesheimstiftung in der Erzdiözese Wien vertritt 820 KollegInnen. Karin Samer, Betriebsratsvorsitzende für den pädagogischen Bereich der Kinderfreunde, kümmert sich um die Rechte von 900 PädagogInnen. Gemeinsam mit 5.000 Menschen haben Huprich und Samer Anfang Oktober unter dem Motto „Achtung Einsturzgefahr!“ in Wien gegen unzumutbare Rahmenbedingungen in elementaren Bildungseinrichtungen demonstriert.

Komplexer Beruf 

Kindergartenpädagogin ist ein komplexer und Kräfte raubender Beruf. Das Spannungsfeld liegt einerseits zwischen den fordernden Eltern mit hohem Bildungsniveau, die ihre Kinder schon im Vorschulalter fit für die Berufswelt machen wollen, und Kindern mit geringen Sprachkenntnissen. Allerdings bedeutet ein Mangel an Sprachkenntnissen nicht automatisch, dass Kinder migrantischer Herkunft gemeint sind. Sprachliche Defizite bei Kindern mit deutscher Muttersprache sind keine Seltenheit. Wien als Zuwanderungsstadt hat freilich auch eine hohe Sprachvielfalt. Im vergangenen Jahr lag der Anteil an Kindergartenkindern mit nicht-deutscher Erstsprache bei 56,3 Prozent. „Natürlich sollten wir dabei auf die unterschiedlichen Traditionen und Denkweisen eingehen“, berichtet Karin Samer.

Derzeit liegt der Betreuungsschlüssel in Österreich bei 25 Kindern pro Gruppe. Eine Kindergruppe wird von einer Vollzeitpädagogin und einer Hilfskraft betreut. Keine ideale Situation, weder für die Kinder, noch für die Betreuerinnen. Einer EU-Empfehlung nach sollten es nicht mehr als 16 Kinder pro Gruppe sein. Ein weiteres Problem ergibt sich bei den Kindergartenhelferinnen. Sie sind in vielen Kindergärten nur Teilzeit beschäftigt. Regina Huprich: „Gesetzlich ist nicht geregelt, wie viel Zeit die Hilfskraft in der Kindergartengruppe verbringen muss.“ In ihren Tätigkeitsbereich fallen u.a. die Zubereitung von Jause und Mittagessen, aber auch die Hygiene von Abwasch bis Staub wischen. „Da bleibt an Betreuungszeit in der Gruppe nicht mehr viel übrig“, kritisiert Huprich.

KindergartenpädagogIn ist ein Beruf, der in der Öffentlichkeit zu unrecht als wenig anspruchsvoll gilt und überdies schlecht bezahlt ist. Nicht allzu viele junge Menschen drängen daher in den Beruf. „Es gibt Leute, die glauben, dass wir mit den Kindern ein bisschen spielen gehen und das war es“, ärgert sich Karin Samer. Welchen Aufwand es tatsächlich bedeutet, ein Kind in seiner Entwicklung zu begleiten, ist nur wenigen wirklich bewusst. Ebensowenig wie die Tatsache, dass Zweijährige und Sechsjährige in einer Gruppe nicht die gleichen Anforderungen stellen. Betriebsratsvorsitzende Samer fordert hier konkret eine Lösung: „Da muss eine Pädagogin schon einen großen Spagat machen, wenn sie ein Kind dort abholen möchte, wo es gerade steht. Deshalb ist es für Kindergruppen notwendig, neben der Vollzeitpädagogin auch eine Vollzeitassistentin zu haben, die rein zur Unterstützung der pädagogischen Arbeit da ist.“

Ausbildung

Auch das Ausbildungssystem verdiene dringend eine Aufwertung, fordert Huprich: Seit in Malta vor kurzem eine tertiäre Ausbildung eingeführt wurde, ist Österreich das einzige Land in Europa mit einem nicht-akademischen Abschluss. Die jungen Frauen entscheiden sich mit 14 Jahren für diesen Beruf und werden in Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik ausgebildet. Nach der Ausbildung treten derzeit viele die Flucht an: Nur dreißig Prozent der ausgebildeten KindergartenpädagogInnen arbeiten auch in ihrem Beruf. Karin Samer kennt eine Klasse aus dem Vorjahr, die 22 AbsolventInnen hervorbrachte – und nur vier dieser ausgebildeten KindergartenpädagogInnen sind auch tatsächlich in den Beruf eingestiegen. Bei einer Berufsentscheidung mit 18 hingegen wird der Beruf meist später auch ausgeübt.

Missstände in OÖ

Zwar ist die Ausbildung in ganz Österreich einheitlich, doch jedes Bundesland hat sein eigenes Kindergarten-Gesetz. Noch schlimmer ist es bei den Dienstrechten, denn davon existieren über 60 verschiedene. Dieser absurde Umstand führt auch zu gravierenden  Mißständen: So werden die Angestellten bei der Caritas und Pfarrcaritas in Oberösterreich in den ersten zwölf Berufsjahren unter dem Niveau des Mindestlohntarifs für private Kinderbetreuungseinrichtungen entlohnt. HelferInnen, deren Gehalt ohnehin empörend niedrig ist, verdienen dort um bis zu 200 Euro monatlich weniger als ihre KollegInnen, die bei Gemeinden angestellt sind. Über 500 von ihnen protestierten daher Ende September vor dem Bischofssitz in Linz gegen diese ungerechte Entlohnung. Nicht der erste Protest dieser Art. „Die katholische Kirche ist Eigentümerin der Caritas und somit verantwortlich für diesen skandalösen Zustand“, zeigt sich der Regionalgeschäftsführer der GPA-djp OÖ, Andreas Stangl, empört.

„Auch abseits von Extrembeispielen spiegelt die Bezahlung nicht die Belastung und die Arbeitsleistung des Berufs wider“, weiß Regina Huprich. Trotzdem will sie niemandem von dem Beruf abraten: „Es zahlt sich aus, Kindergartenpädagogin zu sein, denn die Kinder geben extrem viel zurück.“

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