Kommentar: Konstruktive Lösungen

Wir brauchen effiziente Krisenpolitik gegen die grassierende Verunsicherung.

Fast 400.000 Menschen waren im Mai 2015 ohne Arbeit. Das ist ein trauriger Rekord, der viele Menschen zu Recht stark verunsichert. Medienberichte über Standortschließungen, Einsparungen und Arbeitsplatzabbau tun ein Übriges um Existenzängste zu säen. Die Wirtschaft, allen voran Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer, hat in den letzten Wochen und Monaten gezielt daran gearbeitet, die negative Stimmung noch weiter zu verschärfen, indem kein gutes Haar am Standort Österreich gelassen wird. Selbst das österreichische Sozialsystem, das in der Krise ein wichtiger Garant für Stabilität ist, wird bewusst schlecht gemacht. Vor allem über das österreichische Pensionssystem werden Schauermärchen verbreitet: Dass es angeblich kurz vor dem Kollaps stünde, nicht mehr finanzierbar sei und den Staatshaushalt gefährde. Dabei belegen sämtliche Daten, dass die Kosten für das Pensionssystem bis ins Jahr 2060 in Relation zum BIP nur moderat ansteigen werden.

In den Köpfen vieler Menschen entsteht so ein Szenario, in dem der Arbeitsplatz genauso gefährdet ist wie die Pension und der Lebensstandard der Kinder. Sogar Menschen, die selbst nicht vom sozialen Abstieg bedroht sind, bekommen das Gefühl vermittelt, dass die Ressourcen knapp werden und fühlen sich von angeblichen Flüchtlingsströmen, die nur noch in Zeltstädten notdürftig untergebracht werden, bedroht. Unter diesen Voraussetzungen sind Landtagswahlergebnisse wie im Burgenland und in der Steiermark keine große Überraschung. Sie zeigen vielmehr das Resultat der allgemeinen Verunsicherung. Viele geben ihre Stimme jenen, die vermeintlich einfache Lösungen und Sündenböcke anbieten.

Was dabei völlig ins Hintertreffen gerät sind konstruktive Lösungen. Arbeitslosigkeit und schwächelnde Konjunktur sind beide in der gesamten EU hausgemacht durch eine verfehlte Krisenpolitik, die nach wie vor allein auf Sparen setzt und damit auch sinnvolle Investitionen verhindert. Dass Österreich in vielen Bereichen – nicht zuletzt bei der Arbeitslosigkeit – besser dasteht als die meisten anderen EU-Staaten, hat nicht zuletzt mit den Bemühungen der Gewerkschaften zu tun. Mit zahllosen Kurzarbeitsvereinbarungen ist es uns gelungen, Entlassungen am Höhepunkt der Finanzkrise zu verhindern und ­Arbeitsmarkt- und Konjunkturpakete durchzusetzen. Auch die Lohnsteuersenkung, die wir erkämpft haben, bedeutet einen wichtigen Konjunkturimpuls, der auch Arbeitsplätze bringen wird. Anstatt alle Erfolge und den gesamten Standort Österreich schlecht zu reden, sollten wir dringend an der Umsetzung weiterer konstruktiver Maßnahmen arbeiten.

Maßnahmen, die wir nicht einmal neu erfinden müssen, denn sie liegen seit vielen Jahren fertig auf dem Tisch. Dazu gehört eine Verkürzung der Arbeitszeit, die Umsetzung einer Bonus-Malus-Regelung für ältere ArbeitnehmerInnen genauso wie ein aktiver Staat, der sich traut zu investieren und die Wirtschaftspolitik zu lenken. Den Retro-Vorwurf von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung sehe ich in diesem Zusammenhang eigentlich als Kompliment. Denn er bestätigt, dass es sich um Vorschläge handelt, die über die Jahr detailliert ausgearbeitet und an unterschiedlichste Situationen angepasst wurden.

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