Arbeitsrecht: Big Brother am Arbeitsplatz

Überwachung am Arbeitsplatz ist immer öfter Thema von Beratungen. (Foto: StockPhotoPro - Fotolia)
Überwachung am Arbeitsplatz ist immer öfter Thema von Beratungen. (Foto: StockPhotoPro – Fotolia)

Immer mehr Arbeitgeber nutzen die neuen technischen Möglichkeiten, um ihre MitarbeiterInnen auf Schritt und Tritt zu überwachen – auch ohne Zustimmung des Betriebsrats.

Darf ein Unternehmen seine ArbeitnehmerInnen überwachen? Die Anwort ist „Jein“. Es gibt dafür verschiedene Regelungen. Die wichtigste davon ist allerdings: Kontrollmaßnahmen, die die Menschenwürde berühren, wie Überwachung durch Kameras oder sonstige elektronische Geräte, dürfen nur eingesetzt werden, wenn der Betriebsrat mit dem Betriebsinhaber darüber eine Betriebsvereinbarung getroffen hat. Der Inhaber eines mittelständischen Unternehmens, der seine MitarbeiterInnen per GPS überwachte, wollte das so lange nicht einsehen, bis er es schwarz auf weiß in einem Gerichtsurteil serviert bekam.

Überwachung durch GPS-System 
Im Jahr 2008 wurde Elfriede L., Betriebsratsvorsitzende eines Versicherungsunternehmens eingeladen, Gespräche über die Einführung eines elektronischen Fahrtenbuchs zu führen. Im Jänner 2009 schließlich wurden Frau L. sowie sämtlichen AußendienstmitarbeiterInnen des Unternehmens mitgeteilt, dass ihre Dienstfahrzeuge ab sofort mit einem elektronischen Fahrtenbuch ausgerüstet würden. Das Ziel sei, den bürokratischen Aufwand zu reduzieren. Die Fahrzeuge wurden mit einem GPS-System mit Ortungsfunktion ausgestattet, das alle Fahrten aufzeichnete und automatisch an die Firmenzentrale übermittelte. Eine „Privatfunktion“ ermöglichte den MitarbeiterInnen, einzelne Fahrten als privat zu kennzeichnen. Eine Abschaltung des GPS-Systems war nicht möglich.  Entgegen der ursprünglichen Ankündigung mussten die MitarbeiterInnen auch weiterhin zusätzlich zur GPS-Aufzeichnung manuell ein Fahrtenbuch führen. Wie sich im Laufe der Zeit herausstellte, nutzte das  Personalbüro auch die als privat gekennzeichneten Daten. So erhielten mehrere MitarbeiterInnen, unter anderem auch Frau L., Kontrollanrufe des Personalbüros im Urlaub sowie im Krankenstand, weil sie das Dienstauto privat genutzt hatten.

Menschenwürde berührt
Frau L. suchte mehrfach das Gespräch mit ihrem Chef und wies ihn auf die Notwendigkeit einer Betriebsvereinbarung hin und darauf, dass die Überwachung die Menschenwürde aller betroffenen MitarbeiterInnen berühre. Weil sie mit diesem Anliegen immer wieder nur auf Unverständnis stieß, suchte sie die Unterstützung ihres betreuenden Sekretärs in der GPA-djp. Mit Unterstützung der GPA-djp klagte die Betriebsratsvorsitzende den Betriebsinhaber auf Unterlassung und forderte die Demontage der GPS-Boxen. Das Gericht gab ihr schließlich in allen Punkten recht. Die Möglickeit private Fahrten zu markieren, wurde vom Gericht als irrelevant angesehen. Im Urteil wurde festgehalten, dass es sich bei den GPS-Boxen ohne jeden Zweifel um eine Kontrollmaßnahme handle, die die Menschenwürde berühre und die daher laut Arbeitsverfassungsgesetz nicht ohne Zustimmung des Betriebsrats hätte eingeführt werden dürfen. Der Betriebsinhaber musste  die GPS-Boxen deinstallieren.

Grundsätzlich gilt: Ob eine Kontrollmaßnahme zustimmungspflichtig ist, muss im Einzelfall entschieden werden und hängt von der Intensität der Kontrolle ab. Kontrollen wie etwa eine Zutrittskontrolle bei Betreten des Arbeitsorts (Stechuhr) oder die Pflicht zum Tragen eines Firmenausweises auf dem Firmengelände werden im Allgemeinen die Menschenwürde nicht berühren. Sie bedürfen daher vor ihrer Einführung nicht unbedingt der Regelung durch Betriebsvereinbarung. Berührt wird die Menschenwürde jedoch bei Kontrollmaßnahmen wie z. B. auf den Arbeitsplatz gerichteten Videokameras oder laufende Aufzeichnung der Arbeitsleistung. Auch die ständige Lokalisierung des Aufenthaltsortes eines Dienstwagens und die damit erfolgende Überwachung des Aufenthaltsortes des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin stellen eine beträchtliche Kontrolle dar, die durch ein entsprechend gewichtiges Interesse des Arbeitgebers gerechtfertigt sein müsste. Solche Maßnahmen können dennoch zulässig sein, aber nur bei Vorliegen einer entsprechenden Betriebsvereinbarung. In einer solchen Betriebsvereinbarung sollte die Vorgangsweise geregelt werden, z. B. zu welchem Zweck die Daten aufgezeichnet werden, wer Einsicht nehmen darf und wie lange die Aufzeichnungen aufbewahrt werden dürfen.

Betriebe ohne Betriebsrat
In betriebsratslosen Betrieben dürfen solche Kontrollmaßnahmen nur mit Zustimmung der einzelnen ArbeitnehmerInnen durchgeführt werden, die jederzeit widerrufen werden kann, sofern nicht schriftlich eine Befristung der Kontrollmaßnahme vereinbart wurde. Ausnahme: Der Arbeitgeber darf im Einzelfall kontrollieren, wenn er ein objektiv berechtigtes Interesse daran hat, etwa wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung (z. B. Herunterladen harter Pornographie oder Verstoß gegen das Wiederbetätigungsverbot) besteht.

Wer das Gefühl hat, vom Arbeitgeber rechtswidrig überwacht zu werden, sollte sich zunächst an den Betriebsrat wenden. Selbst-verständlich steht auch die GPA-djp als Ansprechpartnerin für Beratung und Hilfe zur Verfügung.

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