Kollektivvertrag Werbung und Marktkommunikation: Kaum werbewirksam

Protest. Beschäftigte aus der Werbebranche protestieren vor den Firmen der Arbeitgeber- Verhandler. Foto: Willi Denk
Protest. Beschäftigte aus der Werbebranche protestieren vor den Firmen der Arbeitgeber- Verhandler. Foto: Willi Denk

Die Arbeitgeber in der Wiener Werbe- und Marktkommunikation verweigern den MitarbeiterInnen ihre gerechtfertigte Gehaltserhöhung. Entsprechend unterkühlt ist die Stimmung.

Die Verhandlungen um einen neuen Kollektivvertrag der Wiener Werbe- und Marktkommunikationsbranche liegen auf Eis. Bisher verliefen die Gespräche zwischen der GPA-djp und den Vertretern der Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation in der Wirtschaftskammer Wien ohne Ergebnis. Nach zwei Runden haben die ArbeitgeberInnen nur eine Nulllohnrunde in Aussicht gestellt, obwohl die Werbe- und Marktkommunikationsunternehmen im vorigen Jahr gute Ergebnisse erzielt haben.

Kurto Wendt: „Das Verhalten der Arbeitgeberseite kann sich negativ auf die Geschäftsbeziehungen auswirken.“ Foto: Willi Denk
Kurto Wendt: „Das Verhalten der Arbeitgeberseite kann sich negativ auf die Geschäftsbeziehungen auswirken.“ Foto: Willi Denk

„Gerade bei uns lebt jede einzelne Firma vom Image, keine andere Branche vergibt so viele Preise“, wundert sich Kurto Wendt vom Verhandlungsteam der ArbeitnehmerInnen. Das Verhalten der Arbeitgeberseite kann sich negativ auf die Geschäftsbeziehungen auswirken, wähnt APA-Betriebsrat Wendt (Austria Presse Agentur). „Ich weiß nicht, ob es allen recht ist, wenn es heißt: Wir machen das Beste für unsere Kunden, aber wir ignorieren die Interessen unserer Angestellten.“

Die Gehaltsverhandlungen haben im November begonnen. Die ArbeitgeberInnen haben bei diesem Termin einzig eine Nulllohnrunde vorgeschlagen. Kurto Wendt: „Wir waren schon überrascht, denn unser Vorschlag sieht eine Erhöhung von 2,3 Prozent vor.“ Erstaunlich: Die Arbeitgeberseite ließ wissen, dass sie kein Pouvoir zur Verhandlung hat. Mit diesem Ergebnis wurde die erste Verhandlungsrunde abgebrochen. Erst wurden weitere Terminvorschläge der ArbeitnehmerInnenseite nicht angenommen, dann folgte am 23. Dezember die zweite Runde – mit festgefahrenen Standpunkten. „Eine Nulllohnrunde käme einer Gehaltskürzung gleich und ist für uns völlig inakzeptabel“, sagt Judith Reitstätter, zuständige Wirtschaftsbereichssekretärin der GPA-djp.

Kolleginnen sind sauer

Etwa 14.000 Menschen sind vom besagten Kollektivvertrag betroffen. Ein Großteil davon Frauen und viele arbeiten Teilzeit. Die vertretenen Berufe reichen von Markt- und MeinungsforscherIn, Telefon- interviewerIn, WerbegrafikerIn und LayouterIn bis zu kaufmännischen Angestellten. Dementsprechend schlecht gelaunt sind auch die Menschen in den Unternehmen.

Rudolf Wölfl ist Betriebsratsvorsitzender beim Marktforschungsinstitut GfK Austria und auch europäischer Betriebsrat. In Wien vertritt er 300 MitarbeiterInnen: „Bei uns sind die Leute schon sauer und warten, was jetzt passiert.“ Das Verhältnis zur Geschäftsführung ist allerdings intakt. „Die warten auch ab und hoffen, dass wir uns bald einigen.“ Wölfl wundert sich, dass das Verhandlungsteam der Wirtschaftskammer im Vorhinein keine Bereitschaft zu Kompromissen gezeigt hat. „Es wurde gar nicht erst versucht, zu verhandeln. Ich habe auch den Eindruck, dass ihr Team untereinander zu wenig abgesprochen ist.“

Ähnlich sieht es auch Josef Pölzer, Betriebsratsvorsitzender der Gewista, der über 113 MitarbeiterInnen vertritt: „In der Firma herrscht eine sehr enttäuschte Stimmung. Gegenüber 2015 haben wir ein Plus von 10 Prozent. Auch unser Finanzdirektor ist überrascht, immerhin hat er Rücklagen für eine Lohnerhöhung geschaffen.“

Beim Wohnservice Wien ist die Stimmung schon angespannter. Betriebsrätin Irene Mötzl: „Die KollegInnen sind sehr erbost und kämpferisch. Wir haben außerordentliche Betriebsversammlungen abgehalten, und obwohl es für die KollegInnen nicht leicht ist zu kommen und die Zeit nicht bezahlt wird, war der Andrang groß.“ Mötzl vertritt 270 Menschen. Die Firmenleitung ist überrascht und gar nicht erfreut, dass es noch keinen Gehaltsabschluss gibt. Möglicherweise wird befürchtet, dass es zu Ausfällen kommt.

Die Arbeitnehmerinnen werden aktiv

Mitte Jänner haben die MitarbeiterInnen der betroffenen Firmen demonstriert, BetriebsrätInnen besuchten mit Unterstützung der GPA-djp erste Unternehmen. Im Fokus standen dabei jene Betriebe, deren Chefs für die in Aussicht gestellten Nulllohnrunden verantwortlich sind. Judith Reitstätter von der GPA-djp: „Das Vorgehen ist nicht nachvollziehbar. Sogar 2008 – in der ärgsten Krise – wurde mit einem Plus abgeschlossen. Und in den letzten acht Jahren hat es nur 2012 einen Konflikt gegeben, wo es bis März nicht gelungen ist, eine Einigung zu erzielen.“

Damals fanden Betriebsversammlungen am Schwarzenbergplatz statt, die ArbeitgeberInnenseite lenkte ein und schließlich wurde eine Gehaltserhöhung verhandelt. „Der Abschluss war genauso hoch wie die üblichen Einigungen im Dezember. Das ganze Trara der Wirtschaftskammer war umsonst“, erinnert sich Kurto Wendt.

Die GPA-djp führte vergangenes Jahr eine Branchenumfrage durch, an der rund 1.000 Menschen teilgenommen haben. Reitstätter: „Wir haben jetzt einen Überblick, wo es schwierige Fälle gibt, und es wurden einige gröbere Verstöße gemeldet. Wir wissen, wo wir ansetzen müssen und werden es auch tun.“

Ein Kollektivvertrag nützt nicht nur den ArbeitnehmerInnen, sondern auch den Arbeitgebern. „Gibt es keinen Kollektivvertrag, gibt es auf Dauer keine Entwicklungsperspektiven. Das führt zu groben Ungleichheiten etwa bei Alt und Jung“, weiß Reitstätter. Diese Unsicherheit wirkt sich negativ auf die Arbeitsleistung aus. Ein Vertrag, an den sich alle halten können, ist die bessere Variante für alle Beteiligten – ein solides, gut verhandeltes und an den Geschäftstätigkeiten orientiertes klares Regelwerk. Die GPA-djp fordert die Mitglieder des Arbeitgeberverhandlungsteams auf, die Gespräche endlich auf Augenhöhe zu führen. Erwartet wird ein moderner und zeitgemäßer Kollektivvertrag für die gesamte Branche, der diese Bezeichnung auch verdient.

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