Müller als Arbeitgeber kein Knüller

Özlem Bakiray. Sie verlor ihren Job, weil sie sich für die KollegInnen einsetzen wollte. Foto: Willi Denk
Özlem Bakiray. Sie verlor ihren Job, weil sie sich für die KollegInnen einsetzen wollte. Foto: Willi Denk

Özlem Bakiray will sich für die ArbeitnehmerInnen beim Drogeriemarkt Müller einsetzen. Der Versuch, einen Betriebsrat zu initiieren, brachte der Alleinerzieherin allerdings die Kündigung ein.

Nach ihrer Babypause suchte Özlem Bakiray 2015 einen neuen Arbeitsplatz in der Nähe ihrer Wohnung. „Kurze Wege sind für mich als Alleinerzieherin besonders wichtig“, erklärt Bakiray. In der optimal gelegenen Floridsdorfer Filiale der Drogeriekette Müller wurde die gelernte Kosmetikerin fündig.

Sie mochte ihren neuen Job und fand schnell Kontakt zu ihren neuen KollegInnen: „Da haben wir uns auch über Dinge, die im Betrieb passieren, ausgetauscht.“ Nach einiger Zeit drängten sich immer mehr Fragen auf: Manche MitarbeiterInnen wussten nicht, wie sie laut Kollektivvertrag eingestuft sind und auch der Umgang mit den Zeitkonten war unklar. Die Idee, ein Sprachrohr für die Belegschaft zu finden, schien sinnvoll und notwendig – also war die Gründung eines Betriebsrates naheliegend. Özlem Bakiray fragte deshalb einige MitarbeiterInnen, ob sie bereit wären, sich in einem Betriebsrat zu engagieren. „Die KollegInnen haben mir auch signalisiert, mich zu unterstützen, wenn ich mich als Betriebsrätin engagiere“, erzählt die 33-Jährige.

Nach einigen Tagen wurde Bakiray in das Büro ihrer Filialleiterin zitiert, zur Rede gestellt und informiert, dass ihre Bemühungen ohnehin vergeblich wären, denn es gäbe bereits einen Müller-Betriebsrat.

Verdächtige Belegschaft

Erst nach dem Einwand, dass bei Müller in ganz Österreich kein Betriebsrat existiert, machte die Filialleiterin klar: „Das Unternehmen wünscht keinen Betriebsrat!“ Nach diesem Gespräch durfte Bakiray das Büro verlassen und sich weiter ihrer Arbeit widmen.

Die kommenden Wochen wurden für die junge Mutter ziemlich ungemütlich: „Ich wurde ständig beobachtet, sie schauten, wer mit mir redet, mit wem ich lache oder auf Pause gehe.“

Auch andere MitarbeiterInnen, die im Verdacht standen, einen Betriebsrat gründen zu wollen, wurden in das Büro der Filialleitung gebeten. Özlem Bakiray wandte sich an die GPA-djp und bat um Hilfe und Vermittlung.

Müller bleibt hart

Auf Wunsch der GPA-djp wurde ein Treffen zwischen GewerkschaftsvertreterInnen, der österreichischen und der internationalen Verkaufsleitung von Müller vereinbart. „Das Gespräch ist freundlich verlaufen, aber es wurde kein Hehl daraus gemacht, dass ein Betriebsrat für den Firmenchef Erwin Müller nicht in Frage kommt“, beschreibt die Regionalgeschäftsführerin der GPA-djp Barbara Teiber das Gesprächs­klima.

Nicht länger erwünscht

Knapp 2 Wochen nach diesem Termin spitzte sich die Lage für Mitarbeiterin Bakiray zu, sie wurde gekündigt. Für die Kündigung wurde sie 10 Minuten vor Dienstschluss wieder einmal ins Filialleiter-Büro gerufen und ihr mitgeteilt, dass eine Zusammenarbeit mit ihr nicht länger erwünscht sei. Es täte ihr leid, aber die Wege trennen sich, erklärte die Filialleiterin. Kündigungsgrund nannte die Chefin keinen. „In dem Moment war ich wirklich perplex. Meine Leistung war gut, erst vor kurzem wurde ich für meine Arbeit gelobt“, erinnert sich Bakiray.

Sie wurde ab sofort vom Dienst freigestellt, ein für Müller untypisches Vorgehen. Es drängt sich der Eindruck auf, dass sie von Müller nur gekündigt wurde, weil sie sich für eine Betriebsratsgründung engagiert hatte.

Die GPA-djp will das nicht einfach hinnehmen: In einer Kontaktoffensive wurden die 75 Müller-Filialen in ganz Österreich besucht und die MitarbeiterInnen per Post gebeten, sich an einer Umfrage zu den Arbeitsbedingungen zu beteiligen.

Barbara Teiber: „Die Reaktionen waren positiv, aber es war auch Angst zu spüren. Es gab Druck auf die Belegschaft, an unserer Befragung nicht teilzunehmen.“ Es gab auch viele Rückmeldungen von ArbeitnehmerInnen, die früher einmal bei Müller beschäftigt waren. „Da scheint einiges im Argen zu liegen. Wir bekamen auch viele Zusendungen von verärgerten Kunden, die uns bestärkten, weiter zu kämpfen“, weiß Teiber. Kritisch erwähnt wurden vor allem auch Aspekte, die für den Handel typisch sind, etwa die Form der Arbeitszeitaufzeichnungen oder wie Urlaubsvereinbarungen zustande kommen.

Besseres Arbeitsklima hilft allen

„Für uns ist es unverständlich, dass man sich in dieser Vehemenz gegen einen Dialog wehrt. Wir wollen ja das Unternehmen nicht zerstören, sondern die Lage der Beschäftigten verbessern“, erklärt Teiber. Europaweite Studien belegen, dass Betriebsräte das Arbeitsklima und die Arbeitsbedingungen in einem Betrieb positiv beeinflussen. Beschäftigte, die nicht der Führungshierarchie angehören, trauen sich durch einen Betriebsrat eher, Feedback zu geben. Wo gerne gearbeitet wird, ist die Fluktuation auch geringer. Ein ständiger Personalwechsel kostet auch die Firma viel Geld.

Positives im Handel

In letzter Zeit hat sich die allgemeine Situation in der Handelsbranche verbessert. Verstärkt wurden neue Betriebsratskörperschaften gegründet. Bereits seit zwei Jahren hat etwa der Lebensmittelkonzern Lidl erstmals einen Betriebsrat. Beim Kollektivvertrag konnte die GPA-djp in den vorigen Jahren überdurchschnittliche Lohn- und Gehaltserhöhungen erreichen. Eine IFES-Befragung ergab: Viele der im Handel beschäftigten ArbeitnehmerInnen sind in ihrem Job zufrieden.

Özlem Bakiray kämpft derweil weiter: Beim Arbeits- und Sozialgericht hat sie eine Klage auf Wiedereinstellung eingebracht. GPA-djp-Regionalgeschäftsführerin Barbara Teiber: „Es ist toll, dass es so eine engagierte junge Frau gibt, die für die Rechte ihrer KollegInnen kämpfen will und auch den Mut hat, an die Öffentlichkeit zu gehen. Einen Fall wie diesen gibt es nicht jeden Tag.“

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