Wirtschaftsstandort Österreich: Top statt Flop

Hohe staatliche Investitionen in den Wirtschaftsstandort gewährleisten eine funktionierende Infrastruktur und schaffen Freiraum für Innovationen. Illustration: Peter M. Hoffmann.
Hohe staatliche Investitionen in den Wirtschaftsstandort gewährleisten eine funktionierende Infrastruktur und schaffen Freiraum für Innovationen. Illustration: Peter M. Hoffmann.

Österreich ist ein wohlhabendes Land mit hohen sozialen Standards, das nicht trotz, sondern wegen dieser Standards wirtschaftlich sehr erfolgreich ist. Auch die Beschäftigten haben mehrheitlich ein positives Bild vom Wirtschaftsstandort Österreich. Den Standort ständig schlechtzureden, schadet der Wirtschaft und nutzt denjenigen, die soziale Errungenschaften als Wachstumshemmnis darstellen.

Österreich steht wirtschaftlich wesentlich besser dar, als in der Öffentlichkeit oft dargestellt. Österreichs Wirtschaft sei abgesandelt oder sanierungsbedürftig, ist da immer wieder zu lesen. Durch Fakten untermauern lassen sich diese Diagnosen jedoch nicht, denn die Fakten sprechen eine ganz andere Sprache. Sie bestätigen, dass der Wirtschaftsstandort Österreich ein Qualitätsstandort ist. Es werden mit hohen Qualifikationen hochwertige Produkte und Dienstleistungen mit hohem Know-how hergestellt. Und diese Qualität hat natürlich auch ihren Preis. Ein funktionierender Sozialstaat, umfassende Schutzbestimmungen für ArbeitnehmerInnen, KonsumentInnen und Umwelt sowie eine lebendige Interessenvertretung sind wichtige Faktoren für die Qualität des Wirtschaftsstandorts. Zwar hat auch Österreich in den Jahren seit 2008, also seit Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise an Wachstum eingebüßt. Die hohen Arbeitslosenzahlen sind die traurige Bilanz der Krisenjahre. Markus Marterbauer, Leiter der Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik der AK Wien, erklärt im Rahmen einer BetriebsrätInnenkonferenz, dass etwa 300.000 Arbeitsplätze durch das von der Krise verringerte Wachstum nicht entstehen konnten. Eine Rechtfertigung für die extrem schlechte Stimmung, die zum Teil verbreitet werde, sei das jedoch nicht. Im Vergleich zu anderen Staaten stehen wir nämlich immer noch sehr gut da. Das Lamentieren vieler Unternehmerinnen und WirtschaftsvertreterInnen bringe die Gefahr mit sich, zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung zu werden und schade dem Standort enorm.

Positive Zahlen

Die Arbeitsproduktivität liegt in Österreich weit
Die Arbeitsproduktivität liegt in Österreich weit
über dem Durchschnitt
der EU, des Euroraums und Deutschlands. Quelle: EUROSTAT. Grafik: Kerstin Knüpfer

Dass ein optimistischer Blick in die Zukunft mehr als angebracht ist, lässt sich an ein paar Zahlen und Fakten gut belegen. Gemessen am BIP pro Kopf, also der Wirtschaftsleistung pro Kopf, liegt Österreich im EU-Vergleich hinter Luxemburg, Irland und den Niederlanden an 4. Stelle. Zu diesem wirtschaftlichen Wohlstand gehört auch ein stabil hohes Lohnniveau. Dieses trägt ganz wesentlich zu sozialer Stabilität und einer hohen Qualität von Produkten und Dienstleistungen bei, ohne dabei die Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden. Auch bei der Arbeitsproduktivität muss Österreich den Vergleich nicht scheuen: Gemessen daran, wie viel BIP pro Beschäftigter/m erwirtschaftet wird, liegen wir deutlich über dem EU-Schnitt, über dem Schnitt des Euroraums und über Deutschland, mit dem wir so gerne verglichen werden. Besonders präsent ist in der öffentlichen Standortdebatte auch das Thema Industrieproduktion. Immer wieder werden Abwanderungsszenarien gezeichnet und das Aussterben der Industriebetriebe in Österreich prophezeit. Die Fakten widersprechen jedoch auch hier dem verbreiteten Bild: Auch bei der Industrieproduktion steht Österreich im EU-Vergleich gut da. Nach einem Einbruch 2008 hat sich die Produktion stabilisiert und ist in den vergangenen Jahren sogar leicht angestiegen, berichtet Wirtschaftsexperte Marterbauer.

Standortfaktor Investitionen

Ein wichtiger Standortfaktor ist auch die hohe Investitionstätigkeit des Staates in Österreich. Sie gewährleistet, dass die Unternehmen eine funktionierende Infrastruktur vorfinden und schafft den notwendigen Freiraum für Innovationen. Bei den öffentlichen Investitionen in Prozent des BIP liegt Österreich ebenfalls über dem EU-Schnitt und deutlich vor Deutschland. Edeltraud Stiftinger, Geschäftsführerin des Austria Wirtschaftsservice unterstreicht diesen positiven Befund. „Es gibt in Österreich 250 Unternehmen die Weltmarktführer sind.“ Stiftinger nennt in diesem Zusammenhang nicht nur bekannte Unternehmen wie Doppelmayer Schilifte oder Rosenbauer Feuertechnik, sondern auch weniger bekannte Unternehmen wie Crystalline Mirrors Solutions, ein österreichisches Unternehmen, das Weltmarktführer bei Präzisionsspiegeln ist. Österreichische Unternehmen stünden an der Top-Spitze im Bereich Medizin und Biotechnologie, aber auch bei Umwelttechnologien. Da liege Österreich an 5. Stelle noch vor den USA oder China. Dass die Infrastruktur in Österreich funktioniert, verschaffe uns international eine enorm hohe Glaubwürdigkeit, schildert Stiftinger ihre Erfahrungen. Für einen wichtigen Standortfaktor hält sie die Unternehmensförderungen. Österreich habe die besten Förderbedingungen und sei Risikopartner für die Unternehmen, wenn sie Innovationen entwickeln.

Auch Infrastrukturminister Jörg Leichtfried hält die Rolle des Staates für ganz entscheidend. Er fordert ein Ende des undifferenzierten Sparkurses und noch mehr Investitionen in die Infrastruktur. Auch stärkerer staatlicher Beteiligung an Schlüsselunternehmen zur Standortsicherung kann er etwas abgewinnen: „Staatliche Beteiligung an Schlüsselunternehmen ist nicht alte, sondern neue Politik“.

Unternehmensmonitor

Heinz Leitsmüller, Leiter der Abteilung Betriebswirtschaft, bestätigt, dass Österreichs Unternehmen durchwegs hervorragend dastehen. Zweistellige Renditen und Eigenkapitalquoten um 40 Prozent sprechen eine deutliche Sprache. Die Unternehmen hätten es so auch geschafft, krisenfest zu werden, meint Leitsmüller. Aus dieser gefestigten Position heraus könnten es sich die Unternehmen leisten, nicht nur an Rentabilität, sondern auch an die Bedürfnisse der ArbeitnehmerInnen zu denken. Dass die Unternehmen satte Gewinne machen, bedeutet übrigens nicht automatisch, dass sie diese auch investieren. Markus Marterbauer erklärt, dass laut Unternehmensmonitor der AK Investitionen durch die Unternehmen und Gewinne nicht besonders eng zusammenhängen. „Wir brauchen mehr Reinvestitionen statt Ausschüttungen“, bringt er das Problem auf den Punkt. Bei gleichzeitiger hoher staatlicher Investitionsrate, gäbe es bei den privaten Investitionen durch die Unternehmen selbst durchaus noch Luft nach oben.

Digitalisierung

Das derzeit wohl wichtigste Innovationsfeld ist die Digitalisierung. Österreich ist hier gut unterwegs und hat im Vorjahr zu der Gruppe der sogenannten „Vorausläufer“ gehört. Das sind jene Länder, die bereits über dem europäischen Durchschnitt liegen und dennoch viele Verbesserungen umsetzen. Neben Österreich gehören zu dieser Gruppe noch Deutschland, Estland, Malta, die Niederlande und Portugal. Ein wichtiger Treiber dabei ist in Österreich wieder der Staat. In keinem anderen Land ist das E-Government so gut ausgebaut. Die Digitalisierung in Österreich ist leistbar. Nur wenige Menschen in Österreich geben an, sich Computer, Smartphone oder Internet nicht leisten zu können.

Beschäftigte haben ein positives Bild

Während viele Wirtschaftsvertreter jammern, sehen die österreichischen Beschäftigten die Standortqualität im europäischen Vergleich als sehr positiv. Das Institut für Empirische Sozialforschung (IFES) hat 800 Angestellte aus allen Branchen befragt, um zu sehen, was denn die Beschäftigten in den von der GPA-djp vertretenen Branchen für eine Sicht auf den Wirtschaftsstandort haben. Insgesamt sagt mehr als die Hälfte aller Befragten (54 Prozent), dass sie den Wirtschaftsstandort Österreich im europäischen Vergleich besser einschätzen. Nur zwölf Prozent glauben, dass wir schlechter dastehen. Besonders gut – verglichen mit anderen europäischen Ländern – wird bei uns das Gesundheitssystem, die soziale Sicherheit und der KonsumentInnenschutz eingeschätzt. Und fast zwei Drittel aller Befragten sagen, dass wir in Bezug auf starke Interessenvertretungen wie Gewerkschaften, Arbeiterkammern und Betriebsräte besser sind als andere in Europa. Auch der Blick in die Zukunft ist durchwegs optimistisch. 69 Prozent aller Befragten sagen, dass sie davon ausgehen, dass sich Österreich in den kommenden fünf Jahren positiv entwickeln werde, sogar 75 Prozent gehen davon aus, dass sich ihr eigenes Unternehmen positiv entwickeln werde.

Abgefragt wurde auch, was einen erfolgreichen Wirtschaftsstandort ausmacht. 96 Prozent, der Befragten halten angemessene Löhne und Gehälter für wichtig, 94 Prozent sagen gut qualifizierte ArbeitnehmerInnen seien wichtig. Ebenso 94 Prozent betonen die Wichtigkeit von sozialer Sicherheit. Ebenfalls abgefragt wurden Themen, die in der öffentlichen Debatte oft mit dem Standortthema verknüpft werden – unter anderem die Haltung zum 12-Stunden-Arbeitstag: 76 Prozent der Befragten sprechen sich gegen eine Ausdehnung der gesetzlichen täglichen Höchstarbeitszeit von zehn auf zwölf Stunden ohne Gegenleistung für die ArbeitnehmerInnen aus. Und noch bemerkenswerter: 88 Prozent der Jungen lehnen diese Verlängerung der Arbeitszeit ohne Ausgleich ab.

Nein zu längeren Arbeitszeiten. Laut einer Befragung des IFES lehnt eine überwiegende Mehrheit der Beschäftigten eine Ausdehnung der gesetzlichen Arbeitszeit ohne Ausgleich ab. Besonders groß ist die Ablehnung bei den Jungen. Grafik: Kerstin Knüpfer
Nein zu längeren Arbeitszeiten. Laut einer Befragung des IFES lehnt eine überwiegende Mehrheit der Beschäftigten eine Ausdehnung der gesetzlichen Arbeitszeit ohne Ausgleich ab. Besonders groß ist die Ablehnung bei den Jungen. Grafik: Kerstin Knüpfer

Jüngere weniger optimistisch

So erfreulich die positive Grundstimmung unter den ArbeitnehmerInnen auch ist, die Tatsache, dass Jüngere ein tendenziell etwas negativeres Bild von der nahen Zukunft haben, muss nachdenklich stimmen. Auch bei den Jüngeren glaubt mit 59 Prozent eine deutliche Mehrheit, dass sich Österreich in den nächsten Jahren positiv weiterentwickeln wird. Das sind aber doch weniger als etwa die 76 Prozent der 40- bis 49-Jährigen. Es entsteht der Eindruck, dass ein Zusammenhang zwischen den eigenen beruflichen Perspektiven und dem Optimismus für den Wirtschaftsstandort besteht. Junge Menschen, die sich oft in prekäreren Arbeitssituationen befinden oder überhaupt nur schwer einen Einstieg in den Arbeitsmarkt schaffen, schätzen auch auch ihr Umfeld weniger optimistisch ein.

Herausforderungen

Der insgesamt positive Befund zum Wirtschaftsstandort Österreich bedeutet nicht, dass es nicht viele große Herausforderungen gäbe:

Die Arbeitslosigkeit liegt zwar unter dem EU-Schnitt, ist aber noch viel zu hoch. Zwar ist die Zahl der Beschäftigten in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen, jedoch fanden diese Zuwächse vor allem bei Teilzeitstellen statt. Erst seit kurzem ist auch bei den Vollzeitstellen ein leichter Zuwachs zu bemerken. Seit 2016 geht auch die Arbeitslosigkeit erstmals leicht zurück. Handlungsbedarf besteht hier trotzdem. Vor allem junge Menschen finden oft nach Abschluss ihrer Ausbildung keinen ihrer Qualifikation entsprechenden Job und werden in un- oder unterbezahlte Praktika gedrängt. Dem muss dringend Einhalt geboten werden: Junge Menschen brauchen reguläre und kollektivvertraglich geregelte Arbeitsverhältnisse.

Während die Gewinne der Unternehmen sprudeln, gibt es österreichweit immer noch 300.000 Menschen, die weniger als 1.500 Euro netto verdienen. Die kollektivvertraglichen Mindestlöhne müssen daher rasch auf zumindest 1.500 mittelfristig auf 1.700 Euro angehoben werden. In Branchen, in denen keine Einigung mit den Arbeitgebern möglich ist, muss die Umsetzung der Erhöhung mittels Satzung ermöglicht werden. Dafür ist dieses Instrument auszubauen.

 

 

Scroll to top