Uber-Drivers are Workers!

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Eine weitere Gerichtsentscheidung stellt das Geschäftsmodell von Uber in Frage

Bereits seit einigen Jahren fordern Unternehmen der sogenannten „Gig Economy“ traditionelle Geschäftsmodelle, insbesondere im Dienstleistungsbereich, heraus. Dabei können die angebotenen Dienstleistungen sehr unterschiedlich sein und von Beförderungsdienstleistungen über die Essenszustellung bis hin zur Erbringung von Handwerks- oder Reinigungsarbeiten reichen. Gemeinsam ist den Unternehmen der Gig Economy jedoch, dass Arbeit über eine Internetplattform einer größeren Zahl von Personen (der „Crowd“) angeboten und von diesen dann abgearbeitet wird. Man spricht im Hinblick auf diese Form der Arbeitserbringung daher auch von „Crowdwork“. So entsteht ein rechtliches Dreiecksverhältnis zwischen Plattform, LeistungserbringerIn und AuftraggeberIn bzw KundIn, in dem der Plattform häufig eine außerordentlich starke Stellung zukommt.

Im Anschluss an das im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung gestiegene gesellschaftliche und mediale Interesse an technischer Innovation versuchen sich zahlreiche Internetplattformen als technologiegetriebene Startups zu positionieren, die Unternehmen mit traditionellen Arten des Wirtschaftens angeblich weit überlegen seien. Dabei kommen Internetplattformen mit ihren teilweise als „disruptiv“ bezeichneten Geschäftsmodellen immer wieder mit den bisherigen Teilnehmern traditionell stark regulierter Märkte in Konflikt.

Uber im Rechtsstreit

Eine der größten und bekanntesten Plattformunternehmen ist Uber, mittels dessen Handy-App und technischer Infrastruktur in zahlreichen Städten der Welt Personenbeförderungsdienstleistungen angefordert werden können. Das Eindringen von Uber in die Taximärkte sorgt weltweit schon seit einiger Zeit für juristische Auseinandersetzungen, insbesondere im Bereich des Gewerberechts, in Wien etwa mit dem Taxianbieter Taxi40100, der bereits wiederholt Strafen gegen Uber wegen des Verstoßes gegen eine einstweilige Verfügung erwirken konnte.

Doch auch auf der Ebene des Arbeitsrechts ist Uber mit heftiger Kritik konfrontiert. Umstritten ist insbesondere der rechtliche Status der für Uber tätigen LenkerInnen. International werden unterschiedliche Formen zur Erbringung der Beförderung gewählt. Uber behauptet im Rahmen des Modells „UberX“, das auch in Österreich zur Anwendung kommt, ausschließlich mit anderen (Klein-)Unternehmen Verträge abzuschließen, welche die Beförderungsleistungen als Mietwagenunternehmen „für Uber“ erbringen. Uber besteht also darauf, Beförderungsleistungen lediglich zu vermitteln und hält das auch in seinen Geschäftsbedingungen fest. Gerade in jenen Fällen, in denen es sich bei den eingesetzten Unternehmen um Ein-Personen-Unternehmen handelt, ist jedoch sehr fraglich, ob die LenkerInnen tatsächlich als Selbstständige und nicht etwa als ArbeitnehmerInnen angesehen werden können.

Relevant ist das insbesondere, weil die Eigenschaft als ArbeitnehmerIn den Anknüpfungspunkt für eine Reihe von besonderen Rechten ist. Nur wer ArbeitnehmerIn ist, erhält Schutz durch das Arbeitsrecht, das für Selbstständige schon grundsätzlich nicht zur Anwendung kommt. So haben etwa nur ArbeitnehmerInnen Anspruch auf Urlaub, Entgeltfortzahlung bei Krankheit oder auf den Erhalt jener Mindestentgelte, die in Kollektivverträgen festgelegt sind.

Der arbeitsrechtliche Status der LenkerInnen

Während österreichische Rechtsprechung zum rechtlichen Status von Uber-LenkerInnen bisher noch fehlt, hatten sich bereits britische Arbeitsgerichte mit dieser Frage während des schon länger andauernden Verfahrens Aslam, Farrar & Others v Uber zu beschäftigen. Dabei klagten mehrere Londoner UberX-Lenker die Plattform in Großbritannien und brachten vor, sie seien als sogenannte „limb (b) workers“ nach Section 230 (3) (b) des britischen Employment Rights Act 1996 und nicht als UnternehmerInnen im klassischen Sinn anzusehen. Die Plattform Uber hingegen vertrat die Ansicht, die Lenker seien als selbstständige Unternehmer anzusehen und Uber selbst biete gar keine Transportdienstleistungen an, sondern stelle lediglich eine bestimmte technische Infrastruktur zur Verfügung.

Die „limb (b) workers“ (oftmals auch bloß „workers“ genannt) bilden im britischen Recht eine Art Zwischenkategorie zwischen echten Selbstständigen und UnternehmerInnen einerseits und ArbeitnehmerInnen („employees“) andererseits. Die workers verpflichten sich zur persönlichen Arbeitsleistung für jemand anderen und sind insofern als „abhängige Selbstständige“ anzusehen. In dieser Eigenschaft sind sie am ehesten mit der österreichischen arbeitsrechtlichen Kategorie der „arbeitnehmerähnlichen Person“ vergleichbar. Den workers nach britischem Recht kommt also ebenfalls ein Mindestmaß an arbeitsrechtlichem Schutz zu, der zwar nicht das Niveau jenes Schutzes erreicht, den ArbeitnehmerInnen erhalten, der jedoch den Anspruch auf einen Mindestlohn, (bezahlten) Urlaub und Diskriminierungsschutz umfasst.

Die Entscheidungen der britischen Arbeitsgerichte

Das britische Arbeitsgericht erster Instanz („Employment Tribunal“) traf eine Reihe von Feststellungen im Zusammenhang mit dem Arbeitsalltag der Londoner Uber-Lenker. So müssen LenkerInnen nach ihrer Registrierung auf der Plattform und bevor sie Aufträge zugeteilt bekommen, zunächst eine Art Bewerbungsprozess durchlaufen, wobei die zur Personenbeförderung einzusetzenden Autos von den LenkerInnen zur Verfügung gestellt werden müssen, Uber allerdings dahingehende Vorgaben macht, welche Typen eingesetzt werden dürfen und welche nicht. Sind die LenkerInnen erfolgreich auf der Plattform zugelassen, erhalten sie einzelne Beförderungsaufträge mittels einer Handy-App, die zugleich den aktuellen Standort der Lenker per GPS-Ortung feststellt und in Echtzeit an die Plattform übermittelt. Fordern KundInnen eine Beförderung an, so müssen die LenkerInnen einen Auftrag binnen weniger Sekunden entgegennehmen oder ablehnen. Eine zu hohe Anzahl an abgelehnten Aufträgen kann jedoch zu zeitweisen „Sperren“ führen – während dieser Zeiten können also gar keine Aufträge mehr angenommen werden. Die Einhebung des Fahrtentgelts und die Abrechnung der Fahrt wird durch die Plattform über die hinterlegte Kreditkarte des/der KundIn vorgenommen.

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Nach Ende der Fahrt bewerten KundInnen und LenkerInnen einander gegenseitig mithilfe der Vergabe von 1-5 Sternen in der App. Diese als „Rating“ bezeichnete Funktion ist jedoch, wie auch das Employment Tribunal in seinen Feststellungen ausgesprochen hat, wesentlich mehr als ein bloßes KundInnenfeedback zur Zufriedenheit mit der erbrachten Dienstleistung. So müssen die LenkerInnen bei einer durchschnittlichen Betrachtung einer großen Zahl an Fahrten ein bestimmtes Mindestniveau erreichen. Bei dauerhafter Unterschreitung dieses vorgegebenen Niveaus werden sie auf der Plattform gesperrt oder sogar das gesamte Vertragsverhältnis beendet. Die Ratings stellen somit ein zentrales Element zur Kontrolle der LenkerInnen dar.

Angesichts dessen entschied das Employment Tribunal, dass die Londoner Uber-Lenker, die geklagt hatten, nicht als selbstständige Unternehmer angesehen werden können, sondern sich zur persönlichen Arbeitsleistung verpflichtet haben und daher als „workers“ nach dem Employment Rights Act zu qualifizieren sind. Die Entscheidung wurde von Uber bekämpft, in der zweiten Instanz jedoch bestätigt. Wenige Tage vor Weihnachten 2018 ist nun vor dem Court of Appeal (in der bereits dritten Instanz) ein weiteres Urteil in der Sache Aslam, Farrar & Others v Uber ergangen, mit dem die bisherigen Entscheidungen erneut bestätigt wurden.

Ausblick

Zwar entspricht die britische Rechtslage nicht unmittelbar der österreichischen, jedoch legen die ergangenen Entscheidungen nahe, dass das Narrativ von Uber, man arbeite nur mit selbstständigen UnternehmerInnen zusammen, angesichts der von der Plattform ausgeübten hohen Kontrolldichte, der LenkerInnen unterworfen sind, kritisch hinterfragt werden muss. Nicht zuletzt bieten die umfangreichen Feststellungen der britischen Gerichte Anknüpfungspunkte für weitere (arbeits-)rechtliche Überlegungen im Zusammenhang mit dem Geschäftsmodell von Uber und der Arbeitsrealität der LenkerInnen, auch in Österreich. Angesichts ihrer überragenden Bedeutung sollte dabei die Frage zum arbeitsrechtlichen Status der LenkerInnen ins Zentrum gerückt werden. Gerade bei jenen LenkerInnen, die als Ein-Personen-Unternehmen tätig sind, liegt aufgrund einer starken Abhängigkeit von der Plattform nach österreichischer Rechtslage wohl der Schluss nahe, dass es sich dabei regelmäßig zumindest um arbeitnehmerähnliche Personen, wenn nicht sogar um ArbeitnehmerInnen handelt. Diesfalls wäre es dringend geboten, arbeitsrechtliche Regelungen, die den Schutz von ArbeitnehmerInnen im Sinn haben, auf Uber-LenkerInnen und andere Beschäftigte von Internetplattformen zur Anwendung zu bringen.

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