Lobbying: Stimme gegen die Einflüsterer

TTIP - EU-USA-Handelsabkommen in der Kritik. Foto: weyo - Fotolia
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Gesetze, die im Europäischen Parlament verfasst werden, haben weitreichende Folgen für die Menschen in den EU-Mitgliedsstaaten.

Im Bankensektor wird trotz Finanzkrise eigentlich weitergearbeitet wie bisher. Die Menschen hören von der Politik meist nur, dass jetzt überall gespart werden muss. Kaum jemand stellt die Frage, ob es nicht grundlegender Änderungen bedarf“, kritisiert die österreichische EU-Abgeordnete und Gewerkschafterin Evelyn Regner (SP). So sollen zwar in nächster Zeit vom Parlament europäische Aufsichtsbehörden für den Bankenbereich beschlossen werden, diese hätten aber kein Durchgriffsrecht und wären auf das Aktivwerden der nationalen Behörden angewiesen.

Wie ist das möglich? Die Finanzlobby hat innerhalb der EU, vor allem in der Europäischen Kommission und dem Parlament, sehr großen politischen Einfluss und enorme finanzielle Ressourcen, die sie in die Schlacht wirft. Arbeitsgruppen zur Vorbereitung einschlägiger Gesetzesvorlagen werden von Kommissionspräsident Barroso persönlich besetzt – und zwar meist mit ExpertInnen aus der Finanzwirtschaft, jedoch nicht mit ArbeitnehmervertreterInnen. „Dadurch sind wir bei der inhaltlichen Gestaltung finanzpolitischer Themen immer einen Schritt hinterher. Wir können Gesetzesvorlagen zwar diskutieren, bemängeln und beurteilen. Besser für die Durchsetzung der Interessen der ArbeitnehmerInnen wäre es aber, von Beginn an in die Erarbeitung der Gesetze und Richtlinien mit einbezogen zu werden und so mitgestalten zu können“, so Regner.

Bewusstseinsbildung
Die Arbeitsgruppen, die Gesetzesvorlagen für den Europäischen Rat vorbereiten, tagen im Geheimen. Die Finanzlobbys können als „Einflüsterer“ alles in die gewünschte Richtung lenken. Die politische Stoßrichtung der Materie wird den ArbeitnehmervertreterInnen erst dann bekannt, wenn der Gesetzesvorschlag bereits fertig ist. Nach Ansicht Regners braucht es öffentlichen Druck, damit bei der Besetzung dieser Gruppen die Interessen der ArbeitnehmerInnen stärker berücksichtigt würden. Dann können ExpertInnen von Gewerkschaft und Arbeiterkammer ebenfalls am Rechtsetzungsprozess mitwirken.

Ungleichgewicht
Evelyn Regner geht es dabei um die Ausgewogenheit in der Interessenspolitik: „Die realen Machtverhältnisse im Bereich der Finanzpolitik sind nicht repräsentativ für die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung. Einige wenige, finanzkräftige Gruppen verschaffen sich durch politische Netzwerke und persönliche Kontakte einen starken Einfluss auf die Politiker und können ihre Interessen weit wirkungsvoller umsetzen als die Masse der arbeitenden Bevölkerung“, kritisiert Regner. So mancher Hedge Fonds verfügt über ein größeres Budget als ein Kleinstaat. Trotzdem schafft es die Gewerkschaft oftmals noch in letzter Sekunde, Verbesserungen für die arbeitende Bevölkerung einzubringen.

Was fehlt, ist nach Ansicht Regners eine „institutionalisierte Stimme der Zivilbevölkerung“, jener SteuerzahlerInnen also, die von den Entscheidungen am Finanzmarkt unmittelbar betroffen sind und auch die Zeche für Fehlentwicklungen bezahlen müssen. „Ich möchte die Menschen dazu motivieren, sich für die Entwicklungen in der Finanzwelt zu interessieren, damit eine höhere Sensibilität herrscht und bei Fehlentwicklungen größere öffentliche Gegenbewegungen ausgelöst werden.“

Gewerkschaft und AK vor Ort
Zur Umsetzung der Interessen von ArbeitnehmerInnen auf europäischer Ebene sind ExpertInnen vor Ort. ÖGB und AK sind im gemeinsamen Haus der ständigen Vertretung Österreichs in Brüssel vertreten. Bei speziellen Themen werden auch ExpertInnen aus Österreich hinzugezogen. Auf diesen „Brückenkopf“ kann auch die GPA-djp zurückgreifen.

Wolfgang Greif, internationaler Sekretär der GPA-djp, erachtet am Brüsseler Parkett Lobbying als notwendiges Instrument zur Durchsetzung gewerkschaftlicher Interessen: „Die Kommission ist eigentlich nur in der Sozialpolitik verpflichtet, die Gewerkschaften in die politische Willensbildung einzubeziehen. In Österreich werden durch die funktionierende Sozialpartnerschaft ArbeitnehmervertreterInnen meistens frühzeitig in die Erarbeitung relevanter Gesetze und Richtlinien mit einbezogen, auch im Bereich der Wirtschafts- und Finanzpolitik. In Brüssel muss die Gewerkschaft stärker durch Lobbying und durch Kampagnisierungen auf bestimmte Themen aufmerksam machen.“

Das hat mitunter auch Erfolg: So wurde vor kurzem eine Arbeitsgruppe zur Weiterentwicklung der Finanzdienstleistungen im Binnenmarkt, auf Druck der europäischen Bankengewerkschaften hin, für ArbeitnehmervertreterInnen eröffnet.

Gegenplattform
Susanne Wixforth, Finanzexpertin der AK-Wien, hält es für wichtig, dass sich ArbeitnehmervertreterInnen in Brüssel als ExpertInnen profilieren. „Je stärker unsere Netzwerke sind, je pointierter unsere Pressearbeit, je breiter unsere Gesprächsbasis zu möglichst vielen Abgeordneten des Europäischen Parlamentes ist, desto stärker kann die Stimme der ArbeitnehmerInnen in Europa auch gehört werden“, so Wixforth. „In viele Bereiche der Finanzwelt, die früher einem staatlichen Regulativ unterlagen, müssen sich die ArbeitnehmervertreterInnen heutzutage aktiv einbringen, um dem Markt neue Spielregeln zu geben oder Schlupflöcher zu stopfen“, so Wixforth.

Als Gegengewicht zu den umtriebigen Finanzplattformen hat der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) daher die Internetplattform „Europäer für eine Reform des Finanzmarkts“ (s. Kasten) gegründet. In diesem Forum wird zu aktuellen, finanzpolitischen Themen immer eine Gegenexpertise aus ArbeitnehmerInnensicht eingebracht. „So sollen die Interessen der arbeitenden Menschen bekannter gemacht werden“, erklärt Wixforth. Derzeit wird versucht, öffentlich Stimmung für eine Finanz-Transaktionssteuer zu machen, die Spekulationen teurer und damit unattraktiver machen soll.

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