Wessen ORF ist der ORF?

Fritz Wendl, ORF-Betriebsrat

Parteien und von diesen entsandte Stiftungsräte sowie die ORF-Geschäftsführung beschädigen hingebungsvoll den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Auf Kosten und zum Schaden des Publikums und der Beschäftigten.

Ob in zahlreichen Zeitungsartikeln oder an Stammtischen oder in Wortmeldungen von ParteisekretärInnen und sonstigen „Medienpolitikern“: Dem ORF wird wieder einmal mit Vehemenz bescheinigt, in der totalen Krise zu sein. Und auch noch so ahnungslose DebattenteilnehmerInnen halten sich für ExpertInnen. Das signalisiert immerhin Interesse, hat aber den gravierenden Nachteil, dass Diskussionen und Handlungen häufig jeglicher Vernunft entbehren.

Der ORF ist tatsächlich in der schwersten Krise seiner Geschichte. Deren Verursacher sind eine klägliche Medienpolitik und Managementfehler. Dass es in solch einer Situation nicht unbedingt hilfreich ist, wenn die Geschäftsführung (teilweise in Selbstzerfleischung) zerbröselt, ist selbstverständlich. Aber auch in dieser Situation halten die ORF-Radioprogramme Quoten und Qualität (noch) auf internationalem Höchstniveau, ist ORF.at das mit Abstand erfolgreichste Online-Medium des Landes und auch die ORF-Fernsehprogramme sind trotz kräftiger Quoteneinbrüche noch immer bei Marktanteilen, wie sie öffentlich-rechtliche TV-Programme nur in ganz wenigen anderen Ländern erzielen. Das ist ausschließlich dem Engagement der ProgrammmacherInnen zu verdanken. Die sind allerdings längst an den Grenzen der Möglichkeiten und Zumutbarkeiten angelangt. In den letzten beiden Jahren wurde die Belegschaft um 13 (!) Prozent reduziert und in vielen Bereichen fehlt das Budget selbst fürs Nötigste.

Programmauswirkungen

Ausschließlich Geschäftsführung und Stiftungsräte glauben, dass diese Art von „Sparkurs“ ohne Auswirkungen auf die Programmqualität funktionieren kann. Und das wird zur akuten Gefahr nachhaltiger, kaum mehr wiedergutzumachender Beschädigungen der Substanz des ORF. Denn ein ORF, der nicht mehr imstande wäre, öffentlich-rechtliche Kernaufgaben zu erfüllen, hätte seine Legitimation verloren. Ein „Sparkonzept“, das solche Gefahren zwangsläufig mit sich bringt, ist kein Reform-, sondern ein Zerstörungskonzept.

Schwächung per Gesetz

Eines, das sogar im am 1. Oktober in Kraft getretenen neuen ORF-Gesetz steht. Die teilweise, befristete Refundierung der dem ORF von der Politik auferlegten Gebührenbefreiungen wird darin – auch verfassungsrechtlich bedenklich – gekoppelt an eine weitere „strukturelle Reduktion der Personalkosten“ und an eine „Reduktion der Pro-Kopf-Kosten“.

Und auch eine Amputation des ORF-Online-Angebots wurde gesetzlich festgeschrieben: Die ORF-Online-Berichterstattung darf nun nicht mehr „vertiefend“ sein, das zukunftsträchtige Online-Angebot Futurezone wurde zwangsprivatisiert und die Berichterstattung auf den ORF-Landesstudio-Websites wurde gesetzlich auf „8o Tagesmeldungen pro Bundesland pro Kalenderwoche“ beschränkt. Dass man sich so etwas beim Zeitungsherausgeberverband VÖZ (und dessen Kommerzrundfunkablegern) wünschte, ist verständlich. Dass diese Wünsche allerdings vom ORF-Verhandler (dem als ÖVP-NÖ-Wunscherfüllung bestellten kaufmännischen Direktor) und in der Folge vom Parlament willfährig erfüllt wurden, hätte man ursprünglich aber wohl selbst beim VÖZ kaum für möglich gehalten.

Klägliche Medienpolitik

Das neue ORF-Gesetz hat das Gegenteil dessen beschert, was am ÖGB-Bundeskongress einstimmig gefordert worden war: „Eine wirtschaftlich gesicherte Grundlage des ORF als starkes, unabhängiges Leitmedium“. Und das kam nicht einmal überraschend angesichts dessen, was hierzulande meist unter Medienpolitik verstanden wird: nämlich, dass Parteisekretariate glauben, irgendwelche Ansprüche auf Mitsprache bei ORF-Personalentscheidungen zu haben; dass in der Medienförderung kaum ernsthafte Qualitätskriterien ausschlaggebend sind; dass mit Steuergeld eine Inseratenmästung von Blättern stattfindet, die Ausländer- und EU-Feindlichkeit und Politikverdrossenheit fördern, und dass eine unvergleichliche Medienkonzentration den öffentlichen Diskurs hemmt.

Demokratiepolitisch unverzichtbar

In einer solchen Medienlandschaft kommt dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch eine demokratiepolitisch unverzichtbare Rolle zu. Das Problem ist „nur“, dass sich die ernsthafte Frage stellt, wie lange der ORF diese Rolle noch spielen kann. Die Geschäftsführung kämpft nämlich nicht um einen möglichst starken ORF, sondern erfüllt brav die Schwächungsvorgaben von PolitikerInnen und deren ErfüllungsgehilfInnen im ORF-Stiftungsrat. Und zum programmschädigenden, exzessiven Personalabbau kommen auch noch immer mehr Ausgliederungen in Töchter, wo z. B. Kollektivverträge von Branchen angewendet werden, in denen kein/e einziger/einzige der betroffenen MitarbeiterInnen tätig ist.

Der ORF gehört aber weder der ORF-Geschäftsführung noch Politikern (auch wenn’s die nicht glauben wollen). Er ist ausschließlich seinem Publikum, der demokratischen Öffentlichkeit verpflichtet. Die überwältigende Mehrzahl der ORF-MitarbeiterInnen agiert dementsprechend. Auch wenn’s ihnen noch so schwer gemacht wird. Um den ORF-JournalistInnen und den in den ORF-Töchtern Beschäftigten möglichst effiziente gewerkschaftliche Unterstützung bieten zu können, hat die GPA-djp vor wenigen Monaten einen neuen Wirtschaftsbereich, den WB 26 „ORF und Töchter“, eingerichtet.

 

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ORF und Töchter

Seit Mai dieses Jahres gibt es in der GPA-djp den neuen Wirtschaftsbereich „ORF und Töchter“. ORF-JournalistInnen und den Beschäftigten in den ORF-Töchtern kann damit eine optimale gewerkschaftliche Betreuung garantiert werden. Schwerpunkte sind die KV-Politik, die freien DienstnehmerInnen und die österreichische Medienpolitik.

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