Kahlschlag bei der außeruniversitären Forschung

Der Soziologe Jörg Flecker wird auf der GPA-djp-Betriebsrätekonferenz am 15. Juni zum Thema „Die Bedeutung der Arbeitszeitpolitik in der Beschäftigungskrise“ referieren. © Robert Wittek
Jörg Flecker © Robert Wittek

Sparprogramm. Die „Strukturbereinigung“ in der außeruniversitären Forschung ist verschleierte Geldbeschaffung für die Industrie und bedeutet das Aus für viele international erfolgreiche Institute.

Hunderte Arbeitsplätze sind durch den Finanzierungsstopp für die außeruniversitäre Forschung unmittelbar gefährdet. Mittelfristig geht es um die Existenz von über 50 Forschungsinstituten. Was von der Wissenschaftsministerin und vom Finanzminister mit „Strukturbereinigung“ und „Budgetkonsolidierung“ begründet wird, ist eine Verschiebung von Steuergeld zu den Großunternehmen. Denn zugleich wird die Forschungsprämie erhöht, die nur etwa 30 Unternehmen zugute kommt. Das kostet voraussichtlich 80 Mio. Euro zusätzlich pro Jahr. Der außeruniversitären Forschung werden alles in allem 20 Mio. Euro pro Jahr entzogen.

Die überfallsartige Streichung der Förderungen für unabhängige wissenschaftliche Einrichtungen zerstört über lange Jahre aufgebaute Forschungskapazitäten, die einen wichtigen Beitrag zur österreichischen Forschung leisten, für die Einbindung Österreichs in die internationale Wissenschaft sorgen und unverzichtbare Grundlagen für Politik liefern. Erschreckend daran ist, dass die Entscheidung ohne forschungspolitische Überlegungen, ohne Evaluierung der Einrichtungen und ohne Schwerpunktsetzung erfolgte. Für die als Ausweg vorgeschlagene Eingliederung in die Universitäten sind keine Mittel vorgesehen, daher ist sie für die Universitäten in der gegenwärtigen Lage nicht machbar – ganz abgesehen von der Frage, in welchen Fällen das überhaupt sinnvoll wäre. Denn viele Institute sind ja gerade deshalb entstanden, weil die Universitäten für ihre Forschung nicht die passenden Organisationen sind.

EU-Förderungen weg

Neben der Basisförderung werden auch die Anbahnungsfinanzierung für EU-Projekte und die Ko-Finanzierung dieser Projekte gekappt. Die relativ geringen Mittel für alle diese Förderungen wirkten als Hebel, die Institute konnten sie nämlich durch erfolgreiches Einwerben von Projektmitteln v. a. von der EU vervielfachen. Dadurch entstanden Arbeitsplätze in Österreich, und junge WissenschafterInnen erhielten die Möglichkeit, Erfahrungen in der internationalen Forschung zu sammeln.

Im 7. Rahmenprogramm wurden allein im sozialwissenschaftlichen Teil bisher insgesamt zehn Millionen Euro an Forschungsmitteln nach Österreich zurückgeholt. Zwei Drittel (!) davon von außeruniversitären Einrichtungen. Nimmt man nur jene Institute, die jetzt ihre Basisförderung verlieren sollen, bewirkten diese allein einen Mittelrückfluss in der Höhe von fünf Millionen (bei Basisförderungen in der Höhe von – in Summe – wenigen Hunderttausend). Das ist nur ein kleines Beispiel, weil die anderen, größeren Programme und Disziplinen noch dazu kommen. In Zukunft werden diese Erfolge nicht mehr möglich sein, der Hebel wird mutwillig zerbrochen. Die Ko-Finanzierungen für die Landwirtschaft wurden hingegen nicht einmal gekürzt, damit „kein Geld in Brüssel liegen bleibt“. Sind Forschungsmittel schlechteres Geld? Wie war das noch mit der Wissensgesellschaft, mit der Notwendigkeit, hochqualifizierte Arbeitsplätze zu schaffen?

Basisfinanzierung

Die 1991 gegründete Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (FORBA) in Wien ist eines der Institute, die von der Streichung der Basisfinanzierung betroffen sind. Es ist als einziges der österreichischen Universitäts- oder Forschungsinstitute auf Arbeitsforschung spezialisiert und in hohem Maße international ausgerichtet. Mit seinen 22 Beschäftigten ist FORBA fest in der EU-Forschung verankert, vertritt Österreich in ExpertInnen-Netzwerken der EU-Kommission und berichtet in renommierten europäischen Observatorien über Österreich.

Ohne Basis-, Anbahnungs-, und Ko-Finanzierung sind weder die aufwendige Entwicklung, noch die Durchführung von EU-Projekten leistbar, da die Kommission Projekte nur zu 75 Prozent finanziert. Aber auch die österreichische Forschungsfinanzierung deckt nicht alle Kosten von Projekten. Derzeit laufen bei FORBA Projekte mit Förderung des FWF bzw. des Jubiläumsfonds der Nationalbank. Da die Gemeinkosten und die tatsächlichen Personalkosten dabei nicht abgedeckt werden, braucht es Eigenmittel des Instituts, die ohne Basisförderung nicht da sind. Das zeigt: Überall dort, wo wir uns bei harter Konkurrenz mit höchster wissenschaftlicher Qualität bewährt haben, sind wir nach einer Streichung der Basisförderung ausgeschlossen.

Auftragsforschung

Aber es geht auch um die Qualität der Auftragsforschung für Ministerien, AK, Gewerkschaften und AMS. Bei solchen politikrelevanten Studien werden theoretische Zugänge, Konzepte, Methoden, Literaturkenntnisse und Kontakte genutzt, die in eher akademischen wissenschaftlichen Arbeiten gewonnen wurden. Die Auftragsforschung finanziert ihre Voraussetzungen und Grundlagen nicht selbst. Auch hier ist für Qualität und Nachhaltigkeit eine Grundausstattung erforderlich.

Dass es nicht um Forschungspolitik, sondern um Geldbeschaffung für andere Zwecke geht, lässt sich daran ablesen, dass erst im Vorjahr noch Kriterien für die Beurteilung der außeruniversitären Forschungseinrichtungen erarbeitet wurden, mit dem Ziel, Leistungsvereinbarungen abzuschließen und die Förderungen davon abhängig zu machen. Das Vorhaben wurde aber nicht umgesetzt, die Kriterien kamen nie zur Anwendung. Die zitierte „Strukturbereinigung“ ist nichts als eine Ausrede, die nach der Ankündigung der Streichungen nachgeschoben wurde.

Protest

An der forschungspolitisch völlig unverständlichen Entscheidung der Regierung gibt es zum Glück massive Kritik. Schon ungefähr 20.000 BürgerInnen haben sich auf der Plattform Wissen:schafft:Österreich gegen den Kahlschlag in der Forschung ausgesprochen. GPA-djp, ÖGB und AK unterstützen die ForscherInnen. Auch der Rat für Forschung und Technologieentwicklung spricht sich deutlich gegen die Vorgangsweise der Ministerin aus. Es ist zu hoffen, dass dieser Widerstand Wirkung zeigt und die Forschung in Österreich doch eine Zukunft hat.

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