Dienstreise-Kollektivvertrag: Einer für alle

Foto: bruce mars, Unsplash

Die Regeln für Dienstreisen sollen fairer und transparenter werden. Die Interessengemeinschaft work@professional erarbeitet einen branchenübergreifenden Dienstreise-Kollektivvertrag.

Mobilität ist die Umschreibung einer grenzenlosen und flexiblen Arbeitswelt. Waren Dienstreisen früher eher ein Thema für Führungskräfte, von VertriebsmitarbeiterInnen oder Montagekräften, so setzen Arbeitgeber die Reisebereitschaft nun auch bei Stellen voraus, die als ortsgebunden galten. FacharbeiterInnen werden ins Ausland geschickt, um Fabriken aufzubauen, Laborkräfte fahren zu Kunden, um den Vertrieb zu unterstützen. Zwischen vier und fünf Millionen Dienstreisen pro Jahr werden in Österreich unternommen. Etwa 1,2 Millionen ArbeitnehmerInnen müssen zumindest einmal im Jahr eine Dienstreise antreten. Allerdings werden die Dienstreisen in den einzelnen Branchen sehr unterschiedlich behandelt. Relativ neue Regelungen bieten die Kollektivverträge in der Elektro- und Erdölindustrie oder der außeruniversitären Forschung, relativ lange gültig sind die Regelungen in anderen Industriekollektivverträgen. Dagegen gibt es bei Banken bislang nur auf betrieblicher Ebene Vereinbarungen.

Neue Ansätze

Um jedoch kompetent zu agieren und eine sozial verträgliche Balance von Arbeit und Leben zu halten, brauchen alle mobilen MitarbeiterInnen gute Rahmenbedingungen und übersichtliche Regelungen. Work@professional, die Interessengemeinschaft der Fach- und Führungskräfte in der GPA-djp, präsentiert nun einen Vorschlag für einen Dienstreise-Kollektivvertrag, der in allen Branchen gültig sein soll. „Wir haben die wichtigsten Kollektivverträge nach den Dienstreiseregelungen durchgesehen und neue Ansätze unter dem Motto fair, einfach, verständlich und europafit erarbeitet“, erklärt Max Steinhäusler, Prozessingenieur und Betriebsrat der voestalpine Stahl GmbH. Steinhäusler ist auch Vorsitzender der work@professional. Die Vorschläge für einen allgemeinen Dienstreisekollektivvertrag werden am 26. Mai bei der österreichweiten BetriebsrätInnen-Konferenz vorgestellt.

Verdichtung der Arbeit

Deutsche Untersuchungen zeigen, dass Unternehmen zusätzlich auf eine Verdichtung der mobilen Arbeit drängen. Die Beschäftigten sollen unterwegs so effizient arbeiten wie am Firmensitz. Um das einhalten zu können, müssen ArbeitnehmerInnen auch den Aufenthalt in der Bahnhofshalle oder am Flughafen zur Arbeit nutzen. Gleichzeitig büßen Dienstreisen aber an Komfort ein. Nach dem Konjunktureinbruch senkten etliche Firmen den Reiseetat, ohne jedoch das Reisevolumen einzuschränken. Dienstreisen werden wegen der günstigen Flugkosten aufs Wochenende gelegt oder das Unternehmen bucht zeitraubende Umwege. Beschäftigte müssen in einem schmucklosen Hotel im Industriegebiet, weit entfernt vom Zentrum übernachten oder noch am gleichen Tag nach Hause fahren. Dienstreisen, wie sie heute in ganz Europa üblich sind.

„Viele Dienstreisen-Regelungen stammen noch aus der Zeit vor dem EU-Beitritt, da wurde streng zwischen Inland und Ausland unterschieden“, weiß Max Steinhäusler. Deshalb soll die Unterscheidung zwischen Inlands- und Auslandsdienstreisen innerhalb Europas abgeschafft werden. Ein Taggeldsatz, der für österreichweite Dienstreisen gilt, soll daher auch bei Reisen im Ausland gelten. Komplizierte Berechnungen, wo genau über den ausländischen und inländischen Anteil einer Dienstreise gefeilscht wird, würden dann wegfallen. Dafür soll das Taggeld erhöht werden, das sich in vielen Kollektivverträgen derzeit am Taggeldsatz des Beamtendienstrechts orientiert. Dieser ist seit 2002 nicht mehr gestiegen.

Neue Tagsätze

„Wir orientieren uns nun an den EU-Tagsätzen“, sagt Gerald Musger, Bundessekretär der GPA-djp Interessengemeinschaften. „Denn mit diesem Geld müssen den Beschäftigten Mehrbelastung und erhöhte Anforderungen auf Dienstreisen abgegolten werden.“ Für Österreich beträgt der EU-Tagsatz derzeit 95 Euro.

Passive und aktive Reisezeiten

Wird eine Dienstreise in der gültigen Normalarbeitszeit unternommen, so gilt dies als voll zu bezahlende Arbeitszeit, egal ob man mitfährt, selber lenkt, im Zug oder im Flugzeug sitzt. Findet die Dienstreise außerhalb der Normalarbeitszeit statt, wird zwischen passiven und aktiven Reisezeiten unterschieden. Aktive Reisezeiten müssen als Überstunde oder Normalstunde (je nach Kollektivvertrag) bezahlt werden, passive Reisezeiten nach einem komplizierten Schlüssel – die Bezahlung macht aber nur einen Bruchteil einer Arbeitsstunde aus. Gerald Musger: „Die Erfahrung zeigt aber, dass es fast nur aktive Reisezeiten gibt. Viele arbeiten durchwegs mit mobilen Computern oder sind über ihr Handy abrufbereit.“ Die beruflichen Vorgaben lassen auch oft keine andere Wahl. Auch das Lenken eines Fahrzeuges gilt als aktive Reisezeit.

„Die Unternehmen sollen zu einem verantwortungsvollen Dienstreisemanagement animiert werden. Dazu gehört auch die Einhaltung der  Ruhezeiten, die nach dem Arbeitszeitgesetz bestimmt sind“, verlangt Gerald Musger. Eine Anrechnung von Reisezeiten auf die Ruhezeiten ist nur dann möglich, wenn es in den Verkehrsmitteln eine entsprechende Erholungsmöglichkeit gibt: Etwa der Schlafwagen im Zug, Business- oder First-Class im Flugzeug. Anderenfalls muss es Ersatzruhezeiten geben, etwa, dass sich eine Mitarbeiterin einige Zeit in ein Bett legen kann, bevor sie den Dienst antritt. „Das ist auch für die Firma sinnvoll, denn wenn ein Mitarbeiter unausgeschlafen eine schwierige Verhandlung führen soll, dann wird das Ergebnis nicht besonders gut sein“, ist Musger überzeugt.

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