Bildung: Österreich darf nicht sitzen bleiben

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Hohe drop-out Raten, eine niedrige Bildungsbeteiligung und überarbeitete Lehrer. Wie können wir das System effizienter machen?

Das österreichische Bildungssystem krankt. Stark belasteten LehrerInnen stehen viele mangelhaft betreute SchülerInnen gegenüber, die sich Unterstützung durch private Nachhilfestunden holen müssen. Das Ziel einer breiten Ausbildungsbasis für alle, unabhängig von Einkommen, Herkunft und Bildung der Eltern, wird in Österreich nicht erreicht. Kann man hier noch von einem effizienten Bildungssystem sprechen?

„Eine umfassende und solide Bildung fördert die Chancen auf ein erfolgreiches und gesundes Leben und nicht zuletzt auch auf einen guten Arbeitsplatz“, weiß GPA-djp Bildungsexperte Thomas Kreiml. Doch dazu müssen die Jugendlichen auch im Ausbildungssystem gehalten werden. Das gelingt in Österreich leider nur ungenügend: „Der Anteil von 15-/16-jährigen Jugendlichen, die noch keinen Schulabschluss haben, aber dennoch keine Schule mehr besuchen, liegt in Österreich bei 5,6 Prozent. Damit sind wir im negativen Spitzenfeld, nur in Mexiko und in der Türkei ist diese ‚Out-of-School-Population’ noch größer“, kritisiert der Experte.

Die PISA-Studie zeigt, dass 10 Prozent der SchülerInnen unser Bildungssystem ohne abgeschlossene Schulausbildung verlassen. Kreiml meint, dass hier eine Erhöhung der Schulpflicht bis zum 16. Lebensjahr helfen könnte, um die Ausbildungssituation der jungen Menschen zu verbessern. „Als Jugendlicher muss man viele Dinge erst kennenlernen um sich eine bewusste Meinung darüber bilden zu können. Eine Berufsentscheidung mit 14 Jahren ist vielfach zu früh und bildet in erster Linie den erreichten Bildungsstatus der Eltern ab“, sieht Kreiml hier Hürden für Jugendliche aus bildungsferneren Haushalten.

Die neuesten Zahlen der OECD („Bildung auf einen Blick“) zeigen: In Österreich befindet sich jeder fünfte 15- bis 19-Jährige nicht mehr in Ausbildung. Österreich räumt der Bildung offensichtlich keine Priorität ein: Denn die Bildungsausgaben gemessen am BIP liegen nicht nur ebenfalls unter dem OECD-Schnitt, sie sind noch dazu seit 1995 gesunken – von 6,2 auf 5,4 Prozent – und klar hinter dem Anstieg des BIP zurück geblieben.

Positive Bindung zur Schule

Die Bereitschaft zur Bildung hängt für Gerda Benesch-Tschanett, Direktorin der Theodor Kramer Schule im 22. Wiener Gemeindebezirk, auch von den angebotenen Rahmenbedingungen ab. „In einem Umfeld, wo breite Unterstützung und methodische Vielfalt geboten werden, werden Bildungsangebote von den SchülerInnen selbst gut wahrgenommen“, berichtet sie. Die Jugendlichen spiegeln dann nicht jenen Stellenwert wider, den Ausbildung für Ihre Eltern hat, sondern entwickeln ein eigenständiges Wertesystem. Es entsteht so etwas wie eine positive Bindung zur Schule: „Das zeigt sich an unserer Schule darin, dass eine beachtliche Zahl an Schulabgängern nach der 8. Schulstufe nach einer kurzen Zeit der Berufstätigkeit wieder an die Schule zurückkehren und weiterlernen möchte.“

Unterstützung notwendig

Die PISA-Studie 2009 zeigt noch weitere, besorgniserregende Trends: So haben beispielsweise rund 15 Prozent der SchülerInnen nach neun Jahren Schule immer noch Probleme beim Lesen, in Mathematik und in den Naturwissenschaften.

Unterstützung beim Lernen ist zweifelsfrei notwendig. 77 Prozent der Eltern geben an, abends noch mit Ihren Kindern zu lernen. Darüber hinaus nehmen bereits stolze 27 Prozent der SchülerInnen private Nachhilfe in Anspruch, wofür von den Eltern jedes Jahr satte 127 Millionen Euro aufgewendet werden.

Doch nicht jeder, der Unterstützung brauchen würde, bekommt diese auch: von jenen 270.000 SchülerInnen, die private Nachhilfestunden brauchen würden, bekommen rund 70.000 keine Hilfe, weil es sich die Eltern nicht leisten können. So wird die soziale Selektion auf dem Weg zur besseren Bildung über den Umweg Nachhilfe fortgesetzt.

Erfolgskonzept StützlehrerIn

Doch es geht auch anders: Direktorin Benesch-Tschanett arbeitet an einer jener Wiener AHS, in denen in der Unterstufe nach dem Modell der Neuen Wiener Mittelschule unterrichtet wird. Dort werden alle SchülerInnen der 1. bis 8. Schulstufe gezielt gefördert. In den Trägerfächern Deutsch, Mathematik und Englisch gibt es eine(n) zweite(n) LehrerIn in jeder Klasse.

Ein Sitzenbleiben gibt es an dieser Schule nicht. Wer den Lehrstoff der aktuellen Schulstufe nicht bewältigt, wird umgestuft und nach dem Hauptschullehrplan unterrichtet. Die SchülerInnen können in ihrer angestammten Klasse bleiben, soziale Kontakte gehen nicht verloren.

„Natürlich ist unser Modell nicht das billigste – aber der Output ist besser“, weiß Benesch-Tschanett. So brauchen die SchülerInnen keine privaten Nachhilfestunden mehr, denn in so genannten „Fördertrainingsstunden“ wird schwieriger Lernstoff mit FachlehrerInnen nachmittags nochmals durchgearbeitet – auf freiwilliger Basis. „Die SchülerInnen holen sich genau das ab, was sie an Unterstützung brauchen“, sieht die Direktorin die Effizienz des Unterstützungssystems.

Benesch-Tschanett ist davon überzeugt, dass eine methodisch durchdachte Unterstützung der SchülerInnen, ein gezielter Mitteleinsatz sowie individuelle Förderung auch entsprechend positive Resultate bringen. „Ein Zu-Tode-Sparen des Systems macht es ineffizient und schadet letztlich den SchülerInnen. Lücken in der Betreuung und überlastetes Lehrpersonal können nicht jene Bildungsstandards gewährleisten, die wir in Österreich haben möchten“, konstatiert die Direktorin. Dabei geht es um schulische, aber auch um menschliche Erziehung und um kritisches Denken sowie ein Wertebewusstsein einer ganzen Generation. „Unser Modellbeispiel zeigt die positiven Früchte dieser Investitionen“, so Benesch-Tschanett.

Investitionen in Bildung

Zur Verbesserung des Systems fordert die GPA-djp zum einen eine zielorientierte Erhöhung der Bildungsinvestitionen. „Der wichtigste bildungspolitische Schritt in naher Zukunft wäre allerdings die gemeinsame Schule für alle SchülerInnen bis zum Ende der Schulpflicht“, fordert Kreiml. „Das Abschaffen der in Österreich immer noch üblichen frühen Trennung der SchülerInnen in Hauptschule oder Gymnasium nach der 8. Schulstufe würde auch Kindern aus sozial schwächeren Familien das Tor zu nachhaltigeren Bildungswegen und Karrieren öffnen“, ist Kreiml überzeugt.

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