Arbeitsrecht: Wenn Arbeit krank macht …

Die GPA-djp berät, damit keine
Die GPA-djp berät, damit keine
Ansprüche verloren gehen. Bild: lenets_tan – Fotolia

Was ist bei einem vorzeitigen Austritt aus dem Dienstverhältnis wegen drohender Gesundheitsschädigung zu beachten?

Als Martin G. zur Rechtsberatung in die Regionalgeschäftsstelle Tirol kommt, erweckt er ganz den Eindruck eines Mannes, der mit seiner Nervenkraft am Ende ist. Er ist unruhig und fahrig und sieht krank aus. „Ich bin Kundenbetreuer eines großen Unternehmens“, schildert er seine Situation, „und fast aus schließlich im Außendienst tätig. Von Jahr zu Jahr wird der Kundenkreis, den ich zu betreuen habe, größer. Ich mache unzählige Überstunden und schaffe es trotzdem nicht, all meinen Verpflichtungen nachzukommen. Der Stress hat mich krank gemacht, ich war drei Monate im Krankenstand, aber mein Chef hat kein Verständnis, ganz im Gegenteil, seit ich wieder arbeite, setzt er mich noch mehr unter Druck, er schikaniert mich geradezu.“ Martin G. möchte aus dem Unternehmen ausscheiden. Seine Gesundheit ist ihm wichtiger als der Job. „Ich will aber nicht kündigen“, sagt er, „weil ich dann meine Abfertigung verliere.“

Martin G. ist 1988 ins Unternehmen eingetreten und hat daher Anspruch auf Abfertigung Alt. „Stimmt es, dass man das Dienstverhältnis aus gesundheitlichen Gründen durch vorzeitigen Austritt beenden kann“, erkundigt er sich, „und dass man, wenn man das tut, seinen Abfertigungsanspruch behält?“ Grundsätzlich, bestätigt ihm die Tiroler Rechtsschutzsekretärin, steht ihm im Falle eines berechtigten vorzeitigen Austritts die gesetzliche Abfertigung zu. Damit der Austritt berechtigt ist, muss allerdings einiges beachtet werden. Wer überstürzt austritt, läuft Gefahr Ansprüche zu verlieren. Zunächst wird Martin G. geraten, sich von seinem behandelnden Arzt bestätigen zu lassen, dass er seine Außendiensttätigkeit nicht mehr ohne Schaden für seine Gesundheit verrichten kann. Ein berechtigter vorzeitiger Austritt aus gesundheitlichen Gründen setzt nämlich nicht notwendigerweise Dienstunfähigkeit voraus, sondern ist schon dann möglich, wenn bei Fortsetzung der Dienstleistung ein gesundheitlicher Schaden in absehbarer Zeit objektiv zu befürchten ist. Bereits zwei Tage später legt Martin G. die diesbezügliche fachärztliche Bestätigung vor. Er leidet, wie  sein Arzt diagnostiziert, unter einer agitierten Depression bei chronischem Erschöpfungssyndrom. Er wird medikamentös behandelt und befindet sich außerdem in Psychotherapie. Aus fachärztlicher Sicht ist, sollte er seiner Tätigkeit weiter nachgehen, eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes zu erwarten; die Gründe dafür sind der massive Arbeitsdruck und soziale Konflikte mit dem schikanösen Chef.

Information des Arbeitgebers

Der nächste Schritt ist ein Schreiben an den Arbeitgeber, das die Gewerkschaftssekretärin für Martin G. verfasst. In diesem Schreiben wird der Arbeitgeber formell davon in Kenntnis gesetzt, dass Herr G. aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr dazu in der Lage ist, im Außendienst tätig zu sein. Zugleich wird vorgeschlagen, das Dienstverhältnis einvernehmlich aufzulösen, natürlich unter Wahrung des gesetzlichen Abfertigungsanspruchs. Für den Fall, dass der Arbeitgeber Vorschlag nicht nähertritt, wird der berechtigte vorzeitige Austritt angekündigt.

Ersatzarbeitsplatz

Diese Information ist erforderlich, weil dem Arbeitgeber innerhalb angemessener Frist die Möglichkeit eingeräumt werden muss, eine Ersatzbeschäftigung anzubieten. Ist diese Ersatzbeschäftigung gesundheitlich zumutbar und vom Arbeitsvertrag gedeckt, kann der Arbeitnehmer nicht mehr berechtigt austreten. Tatsächlich bietet der Arbeitgeber Martin G. einen Job im Innendienst an. Eine abfertigungswahrende Auflösung des Dienstverhältnisses kommt für ihn nicht in Frage. Nach Rücksprache mit seinem Arzt erklärt Martin G., dass ihm auch dieser Ersatzarbeitsplatz gesundheitlich nicht zuzumuten sei. Zum einen drohe ihm dort ähnlicher Stress, zum anderen wäre er bei ständiger Anwesenheit im Büro den Launen seines Chefs noch schutzloser ausgeliefert.

Erklärung des berechtigten vorzeitigen Austritts

Da der Arbeitgeber keine zumutbare Beschäftigung anbieten kann und auch keiner einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses zustimmt, erklärt Martin G., vertreten durch die GPA-djp Tirol, schriftlich seinen berechtigten vorzeitigen Austritt. Er erhält zügig die Endabrechnung, aber um seine gesetzliche Abfertigung muss er kämpfen. Der Arbeitgeber bestreitet nämlich unter Berufung auf den angebotenen Job im Innendienst die Berechtigung des vorzeitigen Austritts und verweigert die Auszahlung der Abfertigung. Martin G. klagt die gesetzliche Abfertigung mit gewerkschaftlichem Rechtsschutz ein. Er legt u. a. ein Schreiben seines Arztes vor, das bestätigt, dass er weder im Außen- noch im Innendienst des Unternehmens arbeiten kann, ohne seine Gesundheit massiv zu gefährden. Im Rahmen der ersten Gerichtsverhandlung kommt es nach Belehrung durch die Richterin zu einem Anerkenntnis. Martin G. bekommt seine Abfertigung. „Ich bin froh“, erklärt er seiner Rechtsvertreterin draußen vor dem Gerichtssaal, „dass wir den Austritt so gut vorbereitet haben. Die Abfertigung in Höhe von immerhin zwölf Monatsentgelten zu verlieren, wäre wirklich hart gewesen.“

FAQ

Ein vorzeitiger Austritt ist die (sofortige) Beendigung des Dienstverhältnisses durch den/die ArbeitnehmerIn ohne Einhaltung von Kündigungsfristen und -terminen. Für Angestellte zählt § 26 AngG die rechtmäßigen Austrittsgründe demonstrativ auf. Solche Gründe sind neben den gesundheitlichen z. B. die ungebührliche Schmälerung oder gänzliche Vorenthaltung des Entgelts, erhebliche Ehrverletzungen und Tätlichkeiten durch den Arbeitgeber. Bei unberechtigtem vorzeitigem Austritt drohen neben dem Verlust diverser Ansprüche auch Schadenersatzforderungen des Arbeitgebers wegen vertragswidriger Auflösung des Dienstverhältnisses.

ACHTUNG: Ein vorzeitiger Austritt kann schon deshalb unberechtigt sein, weil man, ohne dem Arbeitgeber eine Frist zur Unterbreitung eines Lösungsvorschlags zu setzen, ausgetreten ist! Wir empfehlen daher dringend, vor einem vorzeitigen Austritt die Beratungsleistungen der zuständigen GPA-djp-Regionalgeschäftsstelle in Anspruch zu nehmen. Diese informiert auch über Fristen und Ansprüche!

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