Den Wind der Veränderung nutzen

Verena Spitz ist seit 2004 Betriebsrätin bei der BAWAG PSK und seit kurzem auch stellvertretende Vorsitzende des Zentralbetriebsrats. ­Außerdem ist sie Vorsitzende des Beirats für Arbeit und Technik der GPA-djp. Foto: Nurith Wagner-Strauss
Verena Spitz ist seit 2004 Betriebsrätin bei der BAWAG PSK und seit kurzem auch stellvertretende Vorsitzende des Zentralbetriebsrats. ­Außerdem ist sie Vorsitzende des Beirats für Arbeit und Technik der GPA-djp. Foto: Nurith Wagner-Strauss

Die Digitalisierung mit all ihren Folgen in der Arbeitswelt ist nicht aufzuhalten, also müssen wir sie mitgestalten, lautet das Credo von Verena Spitz, Betriebsrätin bei der BAWAG PSK.

Technik habe sie schon immer interessiert, erzählt die 46-Jährige, die sich bereits als Gymnasiastin als Mitgestalterin einer Schülerzeitung in der GPA-djp engagierte. Nach der Matura begann die Wienerin, Mathematik und Russisch zu studieren. 1997 nahm sie das Angebot an, sich in der GPA-djp-Jugendabteilung um die Studierenden zu kümmern. Zwei Jahre später folgte der Wechsel in die Sektion Geld und Kredit, wie der Wirtschaftsbereich Finance damals hieß. Verena Spitz betreute Kreditkarten- und Bankinstitute und lernte die Vorsitzende des Angestelltenbetriebsrats der ­BAWAG (damals noch ohne PSK) Ingrid Steibel-Zarfl kennen, die ihr schließlich im Jahr 2001 den Job der Assistentin der Zentralbetriebsratsvorsitzenden anbot.

Viele Umbrüche

2004 wurde sie Betriebsrätin und seit kurzem ist Verena Spitz auch stellvertretende Vorsitzende des Zentralbetriebsrats. Damit ist sie quasi an vorderster Front mitverantwortlich dafür, dass die großen Veränderungen in der Branche abgefedert werden und nicht ausschließlich zulasten der rund 2.000 Beschäftigten gehen. „Seit dem Jahr 2000 ist eine ganze Reihe von Umbrüchen passiert: Fusion mit der PSK, Finanzkrise, Niedrigzinslandschaft. All das geht Hand in Hand mit Personalabbau. 2004 hatten wir mit den Töchtern und Beteiligungen 4.500 Beschäftigte, jetzt sind wir weniger als die Hälfte“, resümiert Spitz.

In Anbetracht des wie ein Damoklesschwert im Raum stehenden Personalabbaus war es für die technikaffine Betriebsrätin naheliegend, sich intensiv mit der Digitalisierung auseinanderzusetzen: „Es entwickelt sich ja viel in Richtung automatisierte und virtuelle Abläufe. Irgendwann habe ich das Gefühl bekommen, es tut sich etwas Entscheidendes. Das wollte ich verstehen“, erzählt Spitz. Gemeinsam mit einem Betriebsratskollegen startete sie eine Eigeninitiative, um sich schlau zu machen und fortzubilden.

Keine Veränderungsangst

Einige Jahre sowie zahlreiche gehörte Vorträge, absolvierte Tagungen und durchgeackerte Studien später gilt die quirlige 46-Jährige als Expertin und ist mittlerweile auch Vorsitzende des Beirats für Arbeit und Technik, in dem BetriebsrätInnen aus verschiedenen Branchen sowie ExpertInnen aus Arbeiterkammern und der Forschung sich mit den Auswirkungen der Technologie-Entwicklung auf die Arbeit beschäftigen. Ihren grundsätzlichen Zugang zum Thema formuliert sie mit einem alten chinesischen Zitat: „Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen. Ich bin für die Windmühlen.“

Das Thema der Digitalisierung sei unvermeidbar, wobei Spitz die rechtzeitige Qualifizierung als bestes Asset bezeichnet: „Die Ausbildung spielt eine ganz zentrale Rolle. Wer sich die erforderlichen ‚new skills‘ aneignet und die Möglichkeit zur Weiterbildung bekommt und nützt, der hat gute Karten.“ In diesem Sinne sieht sie es als ihre Aufgabe, den Kolleginnen und Kollegen zu erklären, dass die Digitalisierung nicht nur böse sei, erklärt die Wienerin: „Denen, die Angst haben, muss man sie nehmen, indem man ihnen ein Angebot macht, eine Perspektive gibt, wie sie in dieser neuen Arbeitswelt über­leben.“

Das funktioniere in der BAWAG PSK wie in jedem Unternehmen nur dann, wenn Geschäftsführung und Betriebsrat an einem Strang ziehen, meint Spitz. Wie in der gesamten Finanzbranche gebe es diesbezüglich auch bei ihrem Arbeitgeber noch „Potenzial nach oben“: „Da geht es ganz klassisch um kapitalistische Theorien – Unternehmen wollen Erträge und Effizienz steigern und Kosten senken. Dafür ist die Digitalisierung ein gutes Werkzeug, weil sie nicht mehr nur Muskelkraft, sondern erstmals auch Teile der Denkarbeit ersetzen kann.“

Faktor Mensch

Auch wenn manche Tätigkeiten in der Branche wie beispielsweise die Einschätzung von Kreditrisken mittlerweile fast vollständig von Computern erledigt werden, ist Spitz überzeugt davon, dass das Szenario einer Bank ohne Menschen niemals Realität wird: „Die Basisbeziehungsarbeit der KundenberaterInnen kann genauso wenig eine Maschine übernehmen wie wichtige Steuerungsentscheidungen. Schwierig wird es für Jobs dazwischen.“

Ähnliche Erfahrungen

Das Telefonieren mit einem Computer, wie man es aus der Weitervermittlung zu SachbearbeiterInnen bereits kennt, könnte hingegen Realität werden, berichtet Spitz. Als Mitglied von UNI Finance ist ihr auch die internationale Vernetzung ein Anliegen: „In einer Bank in Dänemark soll heuer die Testphase für einen Betreuungsalgorithmus beginnen, der wirklich in der Lage sein soll, mit den AnruferInnen fast wie ein Mensch zu reden und den Anruf allein abzuarbeiten.“ Auf das Ergebnis ist Spitz wie die KollegInnen anderer Länder gespannt.

Auch sonst machen alle ähnliche Erfahrungen, berichtet sie von einem unlängst stattgefundenen Kongress zum Thema Digitalisierung in der Schweiz: „Bis auf ein kleines Gefälle zwischen Norden und Süden, wo die Digitalisierung noch weniger Thema ist, ist es beruhigend, dass sich alle die gleichen Fragen stellen. Wir können uns also gemeinsam um die Lösungsansätze kümmern. Eines ist klar: Es geht nicht darum, dagegen zu arbeiten, sondern um das Mitgestalten. Das tun wir.“

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