Kommentar: 100 Jahre in denen Unmögliches möglich wurde

Wolfgang Katzian
Wolfgang Katzian

Die Ausrufung der Ersten Republik brachte Verbesserungen für die ArbeitnehmerInnen. Was seither für die ArbeitnehmerInnen erkämpft wurde, lassen wir uns sicher nicht einfach wieder nehmen.

So selbstverständlich wie sie heute für uns ist, genauso neu und ungewiss war sie für ihre GründerInnen – die Republik Österreich, zum ersten Mal errichtet vor 100 Jahren, nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Die Ausrufung der Ersten Republik war für Österreichs GewerkschafterInnen ein Tag der unfassbaren Freude, hatten sie doch schon seit Jahrzehnten darauf hingearbeitet. Nun konnten sie jenen Staat miterrichten, der ihrem Verständnis von einer freien und demokratischen Gesellschaft entsprach. Deren Grundpfeiler waren und sind bis heute – eine freie Presse, das Demonstrations-, Versammlungs- und Wahlrecht und die Gewaltentrennung. Mit der Ersten Republik erlangten endlich auch Frauen das Recht, an Wahlen teilzunehmen. Mit dem Betriebsrats- und dem Arbeiterkammergesetz sorgte die Gewerkschaftsbewegung dafür, dass die Demokratie auch in die Arbeitswelt Einzug nahm. ArbeitnehmerInnen waren den Geschicken ihrer ArbeitgeberInnen nun nicht mehr unmündig ausgeliefert und konnten ihren Interessen Gehör verschaffen.

Die Jahre darauf waren jedoch geprägt von sozialer Not und hoher Arbeitslosigkeit. Umso härter traf Österreich die weltweite Wirtschaftskrise von 1929. Antidemokratische Kräfte der Rechten erkannten den für sie günstigen Moment und schalteten vier Jahre darauf das Parlament aus und bereiteten den Weg für eine Zerstörung Österreichs vor. Vergeblich hatten auch GewerkschafterInnen versucht, diese Entwicklung und den aufkommenden Faschismus aufzuhalten. Dies mündete schlussendlich in einem der dunkelsten Momente der österreichischen Geschichte – im Anschluss an das Naziregime, vor gerade einmal 80 Jahren. Der Einsatz von GewerkschafterInnen für ein freies und demokratisches Österreich wurde vielen zum Verhängnis – als MitgründerInnen und VerfechterInnen der Republik waren sie für den autoritären Staat eine Gefahr. Gewerkschaften wurden verboten, ihre Mitglieder weggesperrt und später teils in Konzentrationslagern ermordet. Und trotzdem waren es wieder GewerkschafterInnen, die nach der Kapitulation der Nationalsozialisten vom ersten Tag an am Wiederaufbau der Republik Österreich arbeiteten.

Alles beginnt im Kleinen – seien es Errungenschaften, wie die Demokratie, oder Tiefpunkte, wie die Herrschaft des Naziregimes. Wichtig ist, nicht zuzuwarten, sondern Courage zu zeigen. Denn wie wir gemeinsam leben folgt keinem Naturgesetz – das entscheiden wir selbst mit den Taten, die wir setzen oder auch unterlassen. Rechte werden einem nicht geschenkt und schon gar nicht in Stein gemeißelt. Man muss für sie kämpfen und für sie einstehen, wenn sie genommen werden sollen. Die Gewerkschaft hat ihren Einsatz dafür schon mehrmals in der Geschichte unter Beweis gestellt. Nicht nur heute, sondern immer, wenn es nötig ist, werden wir die Werte einer freien und demokratischen Gesellschaft mit aller Kraft verteidigen.

 

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