Kommentar: Herbstlohnrunde – Wir bewegen Milliarden

Foto: Michael Mazohl

In wenigen Wochen beginnt wieder die alljährliche „Herbstgehaltsrunde“.  Dabei werden Milliardenbeträge für die Beschäftigten in Österreich bewegt.

Neben der „Metallrunde“ sind Handel und Gewerbe die größten Branchen, die im Herbst die Kollektivvertragsverhandlungen führen. Aber nicht nur die alljährliche Gehaltserhöhung, die leider viele als selbstverständlich wahrnehmen, sondern auch wesentliche arbeitsrechtliche Themen werden bei diesen Verhandlungen für die Angestellten einer Lösung zugeführt.
Die Ausgangsposition dafür ist heuer so gut wie lange nicht. Die Konjunktur läuft sehr gut, die Unternehmen haben volle Auftragsbücher und die Gewinne steigen kräftig. Die Inflation ist mit etwas über zwei Prozent moderat und befindet sich im von der Europäischen Zentralbank gewünschten Zielkorridor. Österreich ist es gelungen, seine Stellung im internationalen Wettbewerb weiter zu verbessern. Wir liegen in den aktuellen Wirtschaftsdaten deutlich vor unserem Haupthandels­partner Deutschland. Unsere exportabhängige Wirtschaft ist dank der hervorragenden MitarbeiterInnen absolut konkurrenzfähig. All dies sind beste Voraussetzungen, um einen deutlichen Reallohnzuwachs für unsere Mitglieder zu erzielen.
Dennoch finden die Verhandlungen nicht vor einem ungetrübten Hintergrund statt. Bedingt durch die überfallsartige Verschlechterung der Arbeitszeitschutzbestimmungen durch Regierung und Parlament ist es notwendig, im Kollektivvertrag Schutzbestimmungen zu verankern, die verhindern, dass ArbeitnehmerInnen mit überlangen Arbeitszeiten konfrontiert werden, die noch dazu kurzfristig angeordnet und schlechter bezahlt sind. Diese Form von Flexibilität wird von uns abgelehnt. Bedingt durch die steigende Belastung am Arbeitsplatz wäre die richtige Antwort nicht Verlängerung der Arbeitszeit, sondern Arbeitszeitverkürzung. Dieser von der Wissenschaft geteilten Ansicht läuft jedoch das „Retromodell“ der Industriellenvereinigung und der Bundesregierung diametral entgegen. Daher wird viel Überzeugungsarbeit und Druck notwendig sein, um eine Arbeitszeitverkürzung zu erreichen.
Erfreulich ist, dass in den vergangenen Wochen viele ArbeitnehmerInnen den Weg zur Gewerkschaft gefunden haben. Es wird uns in diesen Tagen ja drastisch vor Augen geführt, dass der/die Einzelne dem geballten Angriff auf unsere Gesundheit und unsere Geldbörsen wenig entgegensetzen kann, sondern dass es nur starken Gewerkschaften gelingen kann, sozial verträgliche Lösungen und gute Bezahlung zu erreichen. Kämpfen wir gemeinsam für faire Gehälter und menschenwürdige Arbeitsbedingungen, die auch Familienleben und Freizeit zulassen. Wir arbeiten auch, um zu leben und leben nicht, um nur zu arbeiten. Ich bin zutiefst überzeugt: je mehr wir sind, die gemeinsam an einem Strang in die gleiche Richtung ziehen, und je entschlossener und geschlossener wir auftreten, desto erfolgreicher werden wir sein.

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