AMS: Gekürzt ist nicht gespart

Foto: Nurith Wagner-Strauss
Foto: Nurith Wagner-Strauss

Vor den von der Bundesregierung geplanten Kürzungen in der Arbeitsmarktpolitik warnen Betroffene und Gewerkschaft.

Peter P. (Name der Redaktion bekannt) ist Mitte 50, Lkw-Fahrer und seit einigen Jahren immer wieder monatelang arbeitslos. Sprachkurs, Computerkurs, Bewerbungstraining – das alles hat er längst hinter sich. Manchmal gibt es für ihn kurzfristige Gelegenheitsjobs von Leiharbeitsfirmen. Die Branche liegt offensichtlich am Boden. Fahrer aus den Nachbarländern sind bereit, zu einem Bruchteil vom österreichischen Stundenlohn die Aufträge für Firmen in Österreich zu erledigen. Diese zahlen dann aus österreichischer Sicht Dumping-Löhne. Denn einen EU-weiten Mindestlohn gibt es noch nicht. Diesen endlich durchzusetzen, dafür macht sich gerade das Europäische Parlament stark.

Kürzungen beim AMS

Es ist nur eines der zahlreichen Probleme, mit denen Beschäftigungssuchende in Österreich zu kämpfen zu haben – und letztlich das Arbeitsmarktservice (AMS), das ArbeitnehmerInnen gegen Arbeitslosigkeit versichert. Doch das AMS seinerseits muss mit Kürzungen fertig werden. Zwar gibt es derzeit dreimal so viele langzeitbeschäftigungslose Menschen wie vor zehn Jahren. Aber die Bundesregierung argumentiert mit der guten Wirtschaftslage. Zuletzt war im Raum gestanden, dass die Regierung die Arbeitsmarktrücklage nicht auflöst; das hätte um ein Viertel weniger Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik für 2019 bedeutet. Davon hat man nach massiver Kritik von ArbeitsmarktexpertInnen und Gewerkschaften Abstand genommen. Trotzdem steht dem AMS künftig weniger Geld zur Verfügung.

Während für 2018 noch Mittel von 1,406 Milliarden Euro budgetiert wurden, sollen im nächsten Jahr 1,221 Milliarden ausreichen. Nach dem beschlossenen Bundesfinanzrahmen 2018–2022 sollen ab dem Jahr 2020 dem AMS nur noch 1,197 Milliarden zur Verfügung stehen. Von den in den vorigen Jahren zusätzlich geschaffenen 700 Planstellen sollen 200 wieder abgebaut werden.

Arbeitsstiftung für Trainerinnen

Weniger Geld für das AMS bedeutet nicht nur weniger Budget für die Vermittlung von Arbeitslosen, sondern auch weniger Aufträge, also weniger Jobs in der Erwachsenenbildung: Tausende TrainerInnen könnten ihren Job verlieren, befürchten die Betroffenen sowie die zuständige Gewerkschaft GPA-djp. Schlimmstenfalls sei mit bis zu 6.000 arbeitslosen TrainerInnen zu rechnen. Einen Teil davon soll eine Arbeitsstiftung abfedern, die die Gewerkschaft gerade aufzubauen versucht, kündigte GPA-djp-Geschäftsführer Karl Dürtscher an. Dort könnten mit Jahresende die ersten Umschulungen beginnen – „arbeitsnahe Qualifizierungen“ für Personal, das schon bisher in der Lebens- und Sozialberatung oder Erwachsenenbildung relativ hoch qualifiziert war. Dürtscher ist es ein Dorn im Auge, wie hier „Know-how verloren geht“. Ein weiterer Kritikpunkt: „Einerseits moniert die ÖVP/FPÖ-Koalition den Fachkräftemangel, andererseits müsste mehr Geld in die Hand genommen werden, um den Fachkräftemangel zu beheben.“ Es sei perfide, wenn die Regierung Deutsch als Schlüssel zum Arbeitsmarkt und zur Mindestsicherung fordert und gleichzeitig die Mittel für Deutsch-Kurse kürze. „Während Wirtschaft und Regierung regelmäßig den Wunsch äußern, dass Menschen länger arbeiten, werden die Mittel für Arbeitsmarktpolitik gekürzt.“ Und Dürtscher warnt: „Kurzfristigen Erfolgen zur Entlastung der Wirtschaft im Bereich der Steuern und Abgaben stehen massive Belastungen durch vergebene Chancen für Menschen und der Verlust von ausgebildeten ArbeitnehmerInnen für die Wirtschaft in der Zukunft gegenüber.“

Im August 2018 gab es österreichweit 344.651 arbeitslose Personen und SchulungsteilnehmerInnen. Ziel der Bundesregierung ist es, die Zahl in den nächsten Jahren um 100.000 zu senken. Es gebe derzeit mit rund 30.000 Arbeitslosen unter 25 Jahren zu viele junge Menschen in der Arbeitslosigkeit. Außerdem sieht die Regierung zu viele Lehrlinge in der überbetrieblichen Lehre, nur wenige wechselten in Betriebe. Deshalb soll die Förderung in diesem Bereich von 163 auf 148 Millionen Euro geschrumpft werden. Das käme einem Verlust von 2.000 Lehrstellenplätzen gleich, so die Gewerkschaft. Dürtscher plädiert dafür, dass gerade diese Plätze in überbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen (ÜBA) einen guten „Return on Investment“ haben und hier nicht gekürzt wird. Damit wäre der Wirtschaft und den Betroffenen geholfen.

„Arbeitslosengeld neu“

Zur Disposition steht außerdem das letzte finanzielle Auffangbecken für Erwerbslose, die Notstandshilfe. Diese will die Regierung durch ein (gekürztes) „Arbeitslosengeld neu“ ersetzen. Ihre Devise: Kürzung als Anreiz. Durch die Abschaffung der Notstandshilfe fallen Betroffene jedoch aus dem Versicherungsprinzip heraus und in das Fürsorgeprinzip hinein, sprich: Sie werden in die von Ländern und Gemeinden getragene Mindestsicherung gedrängt. Die Pläne sind dem umstrittenen Hartz-IV-Modell in Deutschland sehr ähnlich: Die Geldleistung ist einheitlich niedrig – was viele deutsche Unternehmen bisher ausnützten, indem sie „Aufstocker“ geringer bezahlen; auch auf das Eigentum wird zugegriffen.

„Das lässt den Betroffenen noch weniger Luft zum Atmen“, formuliert es Betriebswirtin und Arbeitsmarktexpertin Judith Pühringer. „Die scheinbar Leistungsbereiten werden belohnt, die scheinbar ‚unwillig‘ Arbeitslosen werden härter sanktioniert. Dabei gelingt es auf beängstigende Weise, benachteiligten Menschen selbst die Schuld für das strukturelle Versagen des Arbeitsmarktes in die Schuhe zu schieben.“

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