Kickl ist eine Gefahr für die Demokratie

Illustration: PM Hoffmann
Illustration: PM Hoffmann

BVT-Affäre, problematische Personalbesetzungen im Kabinett, kostspielige Inszenierungen, die statt einem Sicherheitsgefühl Sorgen schüren, und nun auch noch der Versuch, die Pressefreiheit einzuschränken. Wann sagt ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz dem Koalitionspartner FPÖ endlich, dass es reicht?

Mit diesem Innenminister ist nicht nur kein Staat zu machen, er bringt auch demokratische Prinzipien ins Wanken. Das war der Tenor unter KritikerInnen der schwarz-blauen Regierung rund um die Angelobung des Kabinetts unter Bundeskanzler Sebastian Kurz im Dezember vergangenen Jahres. 100 Tage Schonfrist sind in der Politik für neue MinisterInnen üblich. Doch Herbert Kickl ist zu lange Teil der innenpolitischen Landschaft, als dass man ihn nicht bereits einschätzen hätte können. Als langjähriger Generalsekretär der FPÖ zeichnete er für die Öffentlichkeitsarbeit der Blauen verantwortlich. Als Redenschreiber für den damaligen FPÖ-Chef Jörg Haider war er der Schöpfer des antisemitischen Sagers über den damaligen Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien, Ariel Muzicant, „Wie kann einer, der Ariel heißt, nur so viel Dreck am Stecken haben?“. Aber auch Wahlkampfslogans wie „Wiener Blut – zu viel Fremdes tut niemand gut“ oder „Daham statt Islam“ und „Pummerin statt Muezzin“ gehen auf sein Konto.

Keine Berührungsängste mit Rechtsextremen

Kickl ist einer, der spaltet. Und Kickl ist einer, der keine Berührungsängste mit dem rechten Rand hat. 2016 trat er in Linz bei einem Kongress der „Verteidiger Europas“ auf, angemeldet wurde die Tagung von der Burschenschaft Arminia Czernowitz. Die „Wiener Zeitung“ schrieb damals von einer „Leistungsschau rechter und rechtsextremer Publizisten und Vordenker“. Auf Youtube ist bis heute ein knapp fünfminütiger Clip abrufbar, der Kickls Rede bei dem Kongress dokumentiert. Er spreche hier vor einem Publikum, „wie ich es mir wünsche“, ist da zu hören, und das sei etwas ganz anderes „als wie man im Parlament steht und dort redet und in diesen frustrierten, dauerbetroffenen linken Flügel der Roten und Grünen hineinschaut, wo es nur mehr mieselsüchtige Gestalten gibt“. Angesichts der vielen Medienanfragen zu seiner Teilnahme an der Tagung bemühte Kickl wie schon so oft das Bild der „linken Jagdgesellschaft“ und betonte, „ich fühle mich auch nicht betroffen von all diesen Etikettierungen, mit denen man da um sich geworfen hat, von wegen rechtsextrem, Ultranationalist, Neonazi“. Das werde aber an der Berichterstattung der Mainstream-Medien nichts ändern, „denn wenn die Linken etwas sind, dann resistent gegen Fakten“. Das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) bezeichnete Kickl damals als „an der Spitze der Skala der unnötigen Vereine“.

In diesen wenigen Sätzen hat Kickl sein Selbstverständnis klar umrissen. All diese Aussagen sind auch aus dem Mund des Generalsekretärs einer oppositionellen Parlamentspartei nicht akzeptabel, aber erklärbar, es geht um das Fischen im rechten WählerInnen-Teich. Als Innenminister zeichnet man aber für die innere Sicherheit verantwortlich. Im Innenministerium sind sowohl Verfassungsschutz, der die rechte Szene im Blick haben sollte, als auch das Asylwesen beheimatet. Wie geht das mit so einem Selbstverständnis zusammen? Gar nicht, wie die vergangenen Monate, vor allem aber Tage zeigen. Denn Kickl gibt sich nicht einmal den Anschein, sich dem Amt anzupassen.

Statt zu einen, spaltet er weiter. AsylwerberInnen werden konstant als Bedrohung dargestellt, zu Amtsbeginn entschlüpfte dem Minister dazu gleich der Sager, sie seien konzentriert zu halten. Dazu gesellt sich die Vielzahl von Berichten über negative Bescheide des Bundesamts für Asyl, die in ihren Begründungen jedem rechtsstaatlichen Verständnis strotzen. So wurde etwa einem homosexuellen Asylwerber attestiert „weder Ihr Gang, Ihr Gehabe oder Ihre Bekleidung haben auch nur annähernd darauf hingedeutet, dass Sie homosexuell sein könnten“.

Kickl untergräbt die Arbeit des Verfassungsschutzes. Bei einer Hausdurchsuchung des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) wurden auch zahlreiche Unterlagen zum Bereich Rechtsextremismus beschlagnahmt. Inzwischen hat das Oberlandesgericht Wien die Hausdurchsuchung als rechtswidrig eingestuft. Diese Woche vom „Falter“ veröffentlichte Recherchen legen zudem nahe, dass es einen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Hausdurchsuchung und dem Aufpoppen der Burschenschafts-Liederbuchaffäre um den niederösterreichischen FPÖ-Politiker Udo Landbauer gibt. Demnach wollte das Ministerbüro über den von Kickl eingesetzten Generalsekretär Peter Goldgruber vom Verfassungsschutz Auskunft über allfällige verdeckte Ermittlungen von Burschenschaften abfragen, erhielt aber keine konkreten Informationen. Kurz darauf fand die überfallsartige Hausdurchsuchung im BVT statt.

Doch nicht nur beim Thema Burschenschaften zeigt sich die Unvereinbarkeit der Haltung Kickls mit seinem Amt. Auch Personalbesetzungen in seinem Kabinett werfen Fragen auf. Die Inhalte des Portals unzensuiert.at seien „zum Teil äußerst fremdenfeindlich und weisen antisemitische Tendenzen auf“, urteilte der Verfassungsschutz. Und es seien „verschwörungstheoretische Ansätze“ zu finden. Dennoch machte Kickl Alexander Höferl, der zu diesem Zeitpunkt dem Führungsteam von unzensuiert.at angehörte, zum „Fachreferenten für operative Kommunikation“ in seinem Kabinett. Kabinettschef wurde wiederum Roland Teufel. Er gehört der Burschenschaft Brixia Innsbruck an, die laut DÖW dem „harten Kern der rechtsextremen Szene zuordenbar“ ist.

Und Kickl sieht sich offenbar weiter als Propagandist: Das Innenministerium fiel einerseits durch Inszenierungen auf. Da wurde eine neue Grenzschutztruppe ins Leben gerufen und Puma genannt. Damit bei einer Übung alles medienwirksam ablaufen konnte, gab es gegen alle Usancen zuvor bereits eine Generalprobe. Die Kosten dafür beliefen sich laut parlamentarischer Anfragebeantwortung des Innenministeriums auf mehr als eine halbe Million Euro. Auch die berittene Polizei ist vor allem eine bunte Inszenierung, die freilich nach hinten losging: Noch immer nicht hat man genügend Pferde gefunden, das Projekt, dessen Sinnhaftigkeit ExpertInnen von Beginn an in Frage stellten, rutschte zur Farce ab. Aber auch die aktuell laufende Kampagne zum Verhalten im Terrorfall wirft Fragen auf: Gibt es eine akute Terrorbedrohung? Oder soll die Bevölkerung in Unsicherheit gewogen und Angst geschürt werden?

Andererseits versucht Kickl manche Medien zu füttern, andere von Informationen abzuschneiden. Das jüngst publik gewordene Mail von Kickls Pressesprecher Christoph Pölzl an die Landespolizeidienststellen, in welchem diesen empfohlen wird, kritische Medien wie „Standard“, „Kurier“ und „Falter“ nur noch im „nötigsten“ und im „rechtlich gebotenen Maße“ zu informieren, „Zuckerl, wie beispielsweise Exklusivbegleitungen“ dagegen an kooperative Medien zu vergeben, ist eine Überschreitung einer Grenze, die ein Innenminister nicht überschreiten darf. Medien- und Pressefreiheit sind Grundpfeiler einer Demokratie. Sogar Kanzler Kurz, der Probleme mit dem Koalitionspartner meist versucht, mit Schweigen zu begegnen, bezog Stellung. Jede Einschränkung von Pressefreiheit sei inakzeptabel, betonte der Regierungschef.

Die Opposition sprach Kickl im Parlament das Misstrauen aus. Doch die ÖVP hielt dem Koalitionspartner weiter die Stange und ging nicht mit. Der schwarze Mandatar Werner Amon bemühte zwar interessanterweise ausgerechnet Bertolt Brecht und zitierte diesen mit der Aussage „Vertrauen erschöpft sich dadurch, dass man es in Anspruch nimmt.“ Doch Kickl ist weiter im Amt. Und sein Ministerium behandelte auch die am 3.10.2018 vom „Falter“ publizierten Recherchen zum Zusammenhang zwischen Goldgrubers Abfrage zu Burschenschaften und der BVT-Hausdurchsuchung in gewohnter Manier. In einer Aussendung wird die Veröffentlichung als „gehaltlos“ zurückgewiesen.

Einmal mehr wird damit eine unliebsame Veröffentlichung in die Nähe von fake news gerückt. Dieses Vorgehen ist schon schädlich für eine Gesellschaft und die Demokratie, wenn sie intensiv und Jahre lang von einer Oppositionspartei betrieben wird. Die FPÖ ist bekannt dafür, jegliche Vorwürfe zunächst abzustreiten und eben mit dem Hinweis, ist ja alles nicht wahr, abzuschmettern. Aber das Innenministerium ist nicht die Propaganda-Zentrale einer populistischen Partei, das Innenministerium hat für Recht und Ordnung zu sorgen und ist der Wahrheit verpflichtet. In allen Belangen.

Kickl hat nicht zuletzt durch sein in dem Mail seines Sprechers an die Landespolizeidienststellen zum Ausdruck gekommenen Verständnis, wie Medien zu behandeln sind, Grenzen überschritten. So darf ein Innenminister nicht agieren. Es wäre Zeit, dass Kanzler Kurz hier Konsequenzen zieht. Rasch. Sonst wird er sich die Frage gefallen lassen müssen, wie er es mit der Demokratie hält.

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